Brückner, Gustav Adam 1789-1860

Ein Nekrolog von Ernst Boll
Autor: Boll, Ernst (1817-1868) deutscher Naturforscher und Historiker, Begründer der Naturforschung in Mecklenburg., Erscheinungsjahr: 1859
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ernst Boll, Gustav Adam Brückner, Naturwissenschaften, Mecklenburg, Naturgeschichte
Aus: Archiv des Vereins der Freunde der Naturgeschichte in Mecklenburg, Band 14, herausgegeben von Ernst Boll, 1859
Gustav Adam Brückner, zweiter Sohn des Hofrat Dr. A. F. T. Brückner, wurde am 18. Dezember 1789 zu Neubrandenburg geboren. Seine erste Schulbildung erhielt er nebst drei anderen Knaben, unter denen er besonders mit C. v. Oertzen (†1837 als Landrat auf Brunn) in ein dauerndes freundschaftliches Verhältnis; trat, durch meinen Vater, der zugleich auch sein Schwager war. Auf den täglichen regelmäßigen Spaziergängen, welche derselbe mit den Zöglingen unternahm, und bei welchen mit großem Eifer Pflanzen und Schmetterlinge gesammelt wurden, erhielt die auf Gustav Brückner vom Vater vererbte Vorliebe für naturwissenschaftliche Studien Förderung und weitere Ausbildung. Andere Exkursionen, bei denen mehr gymnastische Zwecke verfolgt wurden, machte er gelegentlich unter Friedrich Ludwig Jahns Leitung, welcher sich damals, von der Universität Greifswald relegiert, eine Zeit lang in Neubrandenburg aufhielt, und unter der hiesigen Jugend zuerst mit seinen Turnbestrebungen hervortrat.

Neubrandenburg, und zwar das schöne Belvedere, ist daher als die eigentliche Geburtsstätte des Turnens zu betrachten, und als dessen Geburtszeit kann das Jahr 1803 gelten. G. Brückner schrieb darüber im Jahre 1853 an meinen Bruder Folgendes: „Jahn war in jenem Jahre, wie man sich heimlich sagte, aus Greifswald relegiert, weil er einen andern Studenten verführt hatte, auf einer Studentenversammlung öffentlich eine von ihm verfasste oder bearbeitete Parodie auf die Bibel (die berüchtigte Commentatio de Quomodone) vorzutragen. Er wurde nun in Neubrandenburg unter dem Namen Fritz Hauslehrer bei den Söhnen des Baron von Lefort. Hier entwickelte er nun auf dem damaligen Badeplatze am Kropf (Ausfluss des Tollense-Baches aus dem gleichnamigen See) bald sein ungewöhnliches Talent Knaben an sich zu ziehen, zu fesseln und unbedingt zu leiten. Ohne sein Zutun sammelte sich ein Kreis von 20 bis 30 Knaben um ihn, die ihn nichts angingen, die er oft nicht einmal dem Namen nach kannte. Mit Eifer lernten sie von ihm schwimmen, tauchen, andere im Wasser unterstützen und retten u. s. w. Nach beendetem Bade begleitete die Schar dieser Freiwilligen ihn und seine Eleven nach Belvedere. Hier lehrte er Laufen, Klettern, Springen, besonders aber Ringen. Er teilte den Haufen in zwei, den Kräften nach etwa gleiche Parteien, deren eine Belvedere besetzen, die andern es erobern musste, wobei zerrissene Kleider und blutige Köpfe alltägliche Erscheinungen waren. Abhärtung gegen jede Unbill der Natur, Übung aller Kräfte, mit entschiedener Hinweisung auf die Notwendigkeit, die deutsche Nation zu einer mannhaften, den fremden Feinden wieder gewachsenen zu erziehen, — war überall sein Augenmerk! Dabei hatte er seiner politischen Ansichten schon damals kein Hehl. Als im Herbst das Baden aufhörte, und die Zahl der Begleiter sich minderte, mussten wir Spaten und Beile mitbringen. Er unterrichtete im Faschinen-Flechten, und mit deren Hilfe an dem steilen Ufer Steige, Treppen und Rasenbänke anzulegen. Im Winter wurden Schneeschanzen gebaut und mit Schneebällen verteidigt und erobert. Dazu diente besonders der Hohlweg hinter dem neuen Kruge. Im Herbste 1804 verließ Jahn Neubrandenburg“.

Um dieselbe Zeit trat Gustav Brückner in die lateinische Schule seiner Vaterstadt ein, welche er vier Jahre lang besuchte, und dann Michaelis 1808 die Universität Göttingen bezog um Medizin zu studieren. Nachdem er am 20. März 1811 promoviert hatte, holte wenige Tage später sein Freund C. v. Oertzen, der inzwischen gleichfalls seine Studien vollendet hatte, ihn von dort zu einer gemeinschaftlichen Reise nach Italien ab, — In jener Zeit ein noch bedeutenderes und schwierigeres Unternehmen, als jetzt eine Reise etwa nach Brasilien. Sie nahmen ihren Weg über Kassel, Frankfurt, Heidelberg nach Stuttgart, woselbst sie, da v. Oertzen an die dortige mecklenburgische Adelskolonie Empfehlungen hatte, mehrere Tage blieben und interessante Bekanntschaften machten, wie z. B. mit Dannecker, der damals gerade an seiner Ariadne arbeitete. Darauf begaben sie sich über München und Salzburg nach Wien, wo sie sechs Wochen verweilten und häufige botanische Exkursionen in die Umgegend (z. B. nach Baden, dem Kalenberg, der Türkenschanze) machten und auch die Botaniker Trattenick, v. Portenschlag und v. Schott kennen lernten. Gegen Ende Mai brachen sie von Wien wieder auf und begaben sich über den Sömmering nach Judenburg, von wo aus sie eine sehr reichlich lohnende botanische Alpen-Exkursion unternahmen. Dann ging es nach Klagenfurt, wo sie an den Prof. v. Best empfohlen waren, und auch die Bekanntschaft des Botanikers Traunfellner machten, und sodann weiter über Villach, Pontieba u. s. w. nach Venedig. Hier verweilten sie vier Tage und hatten nahe beim Ponte Rialto am großen Canale wohnend, damals schon Gelegenheit die (später bestätigte) regelmäßige Bewegung der Ebbe und Flut zu Venedig zu beobachten. In Padua und Bologna, durch welche Städte ihr fernerer Weg sie dann führte, fiel ihnen besonders der stark vernachlässigte Zustand der dortigen botanischen Gärten auf, deren Leitung nach dem bei der Verteilung der Universitäts-Ämter dort herrschenden Modus in die Hände von Professoren kommen konnte (und in Padua auch damals wirklich gekommen war), die von der Botanik auch nicht das Geringste verstanden. Über Rimini, Ancona, Loretto und Terni gelangten sie endlich nach Rom.

Hier verweilten die Reisenden vorläufig vier Monate und wurden bald in einem Kreise trefflicher Künstler und Gelehrter heimisch, zu dessen vornehmsten Mitgliedern damals gehörten: Thorwaldsen, Camucciui, die beiden Riepenhausen, der Landschaftsmaler Josef Koch, der auch als Dichter bekannte Maler Müller, Cornelius, der Kupferstecher Ruschweyh, der später so berufene Zacharias Werner, Schlosser (der Bruder des Historikers), die beiden Botaniker Dr. Sebastiani und Signr. Mauri.

Von Rom aus machten die beiden Reisenden viele Ausflüge nach Ostia, ins Sabiner- und Albanergebirge u. a. O. Brückner hat mir zwar manches Interessante von diesen Exkursionen erzählt, (denn die Erinnerungen an die schöne italienische Reise hatten sich bei ihm sehr lebendig erhalten,) doch vertraue ich meinem eigenen Gedächtnis; nicht so viel, als dass ich es wagen könnte, seine mündlichen Mitteilungen, die er mir vor Jahren gelegentlich darüber gemacht hat, hier mit der nötigen Treue zu wiederholen. Nur über einen einzigen Ausflug, — eine Wanderung, die B. allein mit einigen Freunden und Malern im Oktober nach dem letztgenannten Gebirge unternahm, und bei welcher sie von einem sehr heftigen Gewitter überrascht wurden, liegen mir zufällig in einem 1857 an mich geschriebenen Briefe Brückners, zu welchem ihm eine mich damals beschäftigende Arbeit über die Gewitter den Anlass gab, einige Notizen vor. „Wir erreichten eben noch vor Ausbruch des Unwetters (so erzählt er,) das 2 Meilen von Rom an der nördlichen Abdachung des Gebirges belegene Marino. Dort legten wir uns in einem großen Gemache zur Ruhe, indem unsere vier Bettstellen mit dem Kopfende alle an einer Wand standen. Plötzlich aber drang dort das Regenwasser so durch die Decke, dass es an der Wand herabrieselte, und wir uns an eine trockenere Stelle des Zimmers flüchten mussten; dabei tobte der Sturm, dass das Haus bebte. Da es schon gegen Morgen ging, verzichteten wir auf Schlaf und kleideten uns an. Indes hatte das Wetter sich beruhigt und der Donner grollte schon ferner. Wir öffneten die Fensterladen und hatten nun einen unbeschreiblich schönen Anblick: die weite Ebene Roms lag vor uns; rechts stand das Gewitter, die Apenninen und den Raum von den Bergen bis über Rom hinaus verhüllend, prachtvoll blitzend und donnernd. Eine Menge einzelner Feuer leuchteten hier und da in der Ebene, angezündet von den in dieser Jahreszeit mit ihren Herden schon von den Bergen in die herbstlich neugrünende Ebene herabgezogenen Ziegenhirten, die sich daran wärmen und ihre durchnässten Kleider trockenen. Links stand über dem Meere der untergehende Vollmond, sich spiegelnd in dem Wasser. — In Rom schlug bei diesem Gewitter der Blitz zwei Mal in die steinerne Treppe der Villa Medici, 8 Mal in verschiedene Zypressen der Villa Ludowisi, — im Ganzen 14 Mal in der Stadt ein, aber ohne zu zünden. Dabei regnete es dort so heftig, dass v. Oertzen, der in Rom zurückgeblieben war, auf dem Heimwege von der Restauration in einer ziemlich stark bergan steigenden Straße Mühe hatte, dem ihnen entgegenstürzenden Wasser zu entgehen. Viele Römer behaupteten zugleich ein leichtes Erdbeben verspürt zu haben, und dafür sprach auch, dass ein langes Stück einer Mauer in der Via pia eingestürzt, und von dem höchsten Rand des Colosseums einige Massen herabgefallen waren.“

Am 5. November 1811 brachen Brückner und v. Oertzen mit einer Caravane von 36 Personen von Rom auf und begaben sich nach Neapel, wo sie bei einem jungen Ehepaare Namens Döhler, den Eltern des später als Klaviervirtuosen bekannten D., sich einmieteten. Die Reisenden hatten den Plan gemacht im nächsten Frühlinge von Rom aus die Apenninen bis nach Calabrien hinab zu durchwandern, und deshalb Gelegenheit genommen mit allerlei Leuten Bekanntschaft zu machen, die in dem Rufe standen früher mit Räubern Verbindungen unterhalten zu haben; einer, ein Gastwirt, stellte dies auch gar nicht in Abrede, und versprach sie für ihre Reise mit Freibriefen zu versehen, und Tenore in Neapel, der nachmals so berühmte Botaniker, wollte ihnen Müratsche Pässe verschassen. Inzwischen benutzten sie ihren Aufenthalt in Neapel zu häufigen Ausflügen nach Pompeji, Puzzuoli, Bajä und dem Vesuv, und kehrten dann acht Tage vor Weihnachten nach Rom zurück. Hier fanden sie aber die niederschlagende Nachricht vor, dass der bevorstehende Krieg zwischen Frankreich und Russland es unmöglich mache, sie von Hause aus noch weiter mit Geld zu versehen, und dass sie daher ihre Rückreise antreten müssten. Dies geschah denn nun auch am 13. Januar 1812 mit einem Vetturino, den sie für 100 Ducaten bis Frankfurt a. M. gemietet hatten. Der Rückweg ging über Florenz, Mailand, Turin, den M. Cenis und durch die Schweiz, und so gelangten sie am 25. März nach einjähriger Abwesenheit, durch viele Kenntnisse und Erfahrungen bereichert, glücklich wieder in der Heimat an. Eine botanische Frucht dieser Reise aber waren c. 2.000 Pflanzenspezies, die sie mit zurückbrachten, und unter denen sich manche ansehnliche, damals noch unbeschriebene neue Arten Italiens befanden, an deren Veröffentlichung Gustav Brückner anfangs durch die Berufsgeschäfte, die sich ihm bald nach seiner Rückkehr darboten, gehindert wurde, und späterhin, als er mehr Muße fand, war es zu spät, denn Andere, die nach ihm in Italien gesammelt, hatten eben diese Novitäten gefunden und bekannt gemacht. Doch verfasste er sogleich nach seiner Heimkehr und zwar in Berlin, wo er die übrige Zeit des Jahres 1812 verlebte, eine Schilderung der Flora von Rom, die im Magazin u. s. w. der Gesellschaft naturforschender Freunde in Berlin (1812) abgedruckt und hernach auch in Okens Isis III. S. 1748 im Auszuge mitgeteilt worden ist; darin stellt er zuerst die Gramineengattung Ampelodesmos auf, welche man späterhin mit Unrecht Link zugeschrieben hat. Diese kleine Arbeit gab der wissenschaftlichen Welt, so viel ich weiß, die erste auf linnéische Prinzipien begründete botanische Kunde von der Vegetation der Umgegend jener weltberühmten Metropole, eine Kunde, die erst sechs Jahre später durch den im Jahr 1818 von Sebastiani und Mauri herausgegebenen Prodromus Florae Romanae wesentlich vervollständigt worden ist. Die beiden Verfasser dieses letzteren Werkes hatten mit unseren Reisenden während ihres Aufenthaltes in Rom in lebhaftem botanischen Verkehr gestanden, und waren von ihnen zuerst etwas tiefer in das linnéische System eingeweiht und bei der Abreise mit Willdenows Species Plantarum, einem bis dahin in Rom unbekannten Buche, beschenkt worden. Beide wurden in der Folge Professoren der Botanik in jener Stadt, zuerst Sebastiani, und als dieser geisteskrank ward, erhielt Mauri seine Stelle.

Bald nach der Heimkehr, schon zu Anfang des Jahres 1813, ließ Brückner sich als praktischer Arzt zu Ludwigslust nieder, wo damals nur ein einziger schon sehr bejahrter Arzt vorhanden war, indem die Militärärzte mit den Truppen ins Feld gerückt waren. Hier fand er bald einen ausgedehnten Wirkungskreis, indem ihm nach und nach neben seiner Privatpraxis auch noch mehrere ärztliche Ämter übertragen wurden; er wurde Gensdarmeriearzt, Physicus in den Städten und Ämtern Dömitz, Eldena, Grabow und Neustadt u. s. w., und erhielt wenige Wochen vor seinem Tode noch das Prädikat eines Geheimen Medizinalrats. Trotz seiner vielfachen ärztlichen Beschäftigung fand er doch bei der Lust und Liebe, die ihn zu einer über seinen praktischen Beruf hinausgehenden wissenschaftlichen Tätigkeit beseelte, gelegentlich Muße zu kleineren literarischen Arbeiten. Von diesen lagen jedoch nur wenige auf dem medizinischen Gebiete. Schon im Jahr 1812, noch in Berlin, hatte er eine kleine unbedeutende physiologische Abhandlung „über die unsichtbaren Ausdünstungen tierischer Körper“ geschrieben, welche in Flörkes Repertorium Bd. IV. 2. S. 95 ff. eine Stelle gefunden hat. In Ludwigslust veröffentlichte er im Jahr 1817 als Gratulationsschrift zur Feier des 50jährigen Doktorjubiläums seines Vaters „Bemerkungen über das Wasserbrechen“, — eine unter dem norddeutschen Landvolke endemische Krankheit, als deren Hauptursachen er den häufigen Genuss des Schwarzbrotes betrachtet, und zu deren Heilung er Wismut als sehr wirksam empfiehlt. Darauf folgte im Jahr 1827 ein kleiner Aufsatz in Nr. 463 des Freimütigen Abendblatts über die Heilquellen Doberans, und dies ist auch, so viel ich weiß, seine letzte vor die Öffentlichkeit getretene medizinische Arbeit, denn eine noch spätere größere, mit der er sich in seinen letzten Lebensjahren beschäftigte und zu welcher er vorzugsweise befähigt war, nämlich ein Handbuch der Diätetik, — ist leider! unvollendet geblieben.

So wenig es mir, einem Laien, auch zusteht, über Gustav Brückners Wirksamkeit auf dem Gebiete der praktischen Medizin ein Urteil zu fällen, so kann ich doch nicht umhin, über dieselbe einige Worte einstießen zu lassen; denn ich selbst verdanke ihm auch in dieser Beziehung zu viel, als dass ich über diesen Zweig seiner Tätigkeit mit Stillschweigen hinweggehen könnte. Durch vielseitige wissenschaftliche Bildung, und auch dem Gebiete der Kunst nicht fremd, hatte er einen weiten und freien Geistesblick sich erworben. Namentlich war durch die von Jugend auf mit Vorliebe gepflegten naturwissenschaftlichen Studien seine Beobachtungs- und Kombinierungsgabe in hohem Grade geschärft worden, und diese wendete er nun auch mit großem Erfolge auf die Heilkunst an. Nicht nach hergebrachten, unabänderlichen Regeln zog er gegen die Krankheit zu Felde, sondern die Individualität seines Patienten genau studierend, modifizierte er dieser gemäß beständig seine Taktik. Namentlich bei chronischen Leiden, in deren Behandlung Ärzte so oft die Geduld verlieren, war er unermüdlich; in derartigen Fällen aber wenig auf die Heilkraft der Medikamente bauend, suchte er durch Änderung der ganzen körperlichen und geistigen Lebensweise des Patienten das Übel entweder an der Wurzel zu fassen, oder, wo dies nicht tunlich, es wenigstens zu mildern und dem weiteren Fortschritt desselben ein Ziel zu stecken. In der Diätetik hatte er sich dadurch eine wahre Meisterschaft erworben, und was sich auf diesem Wege erreichen lässt, wenn der Sorgfalt des Arztes ein unbedingter Gehorsam von Seiten des Patienten entgegen kommt, das hat er zur Genüge an sich selbst gezeigt, indem er vierzig Jahre lang mit einem sehr drohenden Lungenleiden gekämpft hat, bevor dasselbe am 30. März des Jahres nach einem nur zweitägigen Krankenlager seinem Leben ein Ziel setzte; noch in den letzten Wochen könnte er eine schwierige und angreifende gerichtsärztliche Untersuchung ausführen, und nur fünf Tage vor seinem Tode schrieb er noch einen mehrere Seiten langen Brief an mich. — Die Zahl derer ist nicht klein, welche, gleich mir, ihm und seiner Heilkunst eine dankbare Erinnerung bewahren werden.

Werfen wir nun, was für unseren speziellen Kreis von größerem Interesse ist, einen Blick auf Brückners naturwissenschaftliche Wirksamkeit. Bald nach ihm, im Jahr 1816, war auch der jetzt noch in der Nähe von München lebende H. (v) Schubert von Nürnberg als Instruktor der Herzogin Marie nach Ludwigslust berufen und unter dessen, so wie des Braunschweigschen Bergrats Abich Leitung auch das Braunkohlenlager bei Malliß im Jahr 1820 aufgefunden worden. Brückner interessierte sich auf das lebhafteste für diese Entdeckung, und wendete sich nun mit großem Eifer der vaterländischen Geologie zu. Mit der Oberflächengestaltung und Beschaffenheit Mecklenburgs durch viele Reisen sehr vertraut geworden, von dem aber, was unsere diluviale Bodendecke birgt, nur das wenige kennend, was bergmännisch, aber nicht strenge wissenschaftlich, beim Aufsuchen jenes Braunkohlenlagers ermittelt worden war, und durch Vorliebe für Steffens und dessen Naturphilosophie wenigstens auf diesem Gebiete des Wissens für kühne Hypothesen empfänglich, entwarf er im Jahr 1825 in seiner Schrift, welche den Titel führt: „Wie ist der Grund und Boden Mecklenburgs geschichtet und entstanden?“ und die er selbst als ein geognostisch-geologisches Fragment bezeichnet, eine Skizze von der Beschaffenheit und Bildungsgeschichte unseres Bodens, in welcher, aus Mangel an geognostischen Tatsachen geologischen Hypothesen ein sehr großer Spielraum gestattet worden ist. Dies erkannte er hernach sehr Wohl selbst an. Denn als ich zwanzig Jahre später mit einer ähnlichen Arbeit beschäftigt war, schrieb er mir: „Der Reichtum an Materialien ist es, der nach meiner Überzeugung jedem Werke dieser Art den größten, bleibenden Wert verleihet. Wenn wir mit unseren Hypothesen und Erklärungen auch noch so vorsichtig sind, so finden wir nach zehn Jahren doch selbst schon viel daran auszusetzen. Dennoch darf diese theoretische Seite in einem solchen Buche durchaus nicht ganz fehlen, wenn es — zumal unter Laien — Aufmerksamkeit erregen soll auf neue, hierher gehörige Facta.“ Letzteres eben, nämlich die Blicke seiner Landsleute auf diesen Zweig des Wissens hinzulenken, war auch bei seiner eigenen Arbeit, wie er am Schlusse der Vorrede selbst erklärt, seine hauptsächlichste Aufgabe gewesen, und die Lösung derselben ist ihm auch vollkommen gelungen. Denn jenes Buch war es, durch welches zuerst Lust und Liebe zu derartigen Studien in Mecklenburg geweckt worden sind; an seine Arbeit anknüpfend und durch ihn unmittelbar dazu angeregt und geleitet, haben Andere später weiter gebaut, und wenn es diesen gelungen ist, die Stützen der Hypothese nach und nach immer mehr durch einen wirklichen geognostischen Unterbau zu ersetzen, so bleibt Brückner doch immer derjenige, der den ersten Anstoß zu allem diesen gegeben hat.

Nach dem Erscheinen jenes Buches setzte Brückner seine Tätigkeit auf diesem Gebiete noch einige Jahre fort. Kaum war dasselbe nämlich veröffentlicht, als noch gegen Ende des Jahres 1825 ganz zufällig eine neue wichtige geognostische Entdeckung erfolgte, nämlich die Auffindung des mächtigen Lübthener Gipsstockes. Brückner erhielt den Auftrag die genauere Untersuchung desselben zu leiten, und vollzog denselben mit gewohntem Eifer. Der Gips wurde nach Qualität und Quantität genügend befunden, und daher der Abbau desselben begonnen. — In den Jahren 1827 und 1828 gab Brückner im Freimütigen Abendblatt (Nr. 444. 446 — 48. 470—72) „Beiträge zur Geognosie Mecklenburgs“, — einen Nachtrag zu seinem geognostisch-geologischen Fragment, in welchem manche inzwischen zu seiner Kunde gelangte interessante Tatsachen zusammengestellt sind, und im Jahr 1828 wurden auf seine Anregung und unter seiner Leitung auf den Feldmarken von Brunshaupten, Basdorf und Wiegmannsdorf geognostische Bohrungen ausgeführt, die aber ohne erhebliches wissenschaftliches Resultat blieben, und erst in den Jahren 1853 und 1854 ist es einem anderen Forscher (Hrn. Baumeister F. Koch) durch abermalige Untersuchungen gelungen, die dortigen geognostischen Rätsel zu lösen.

Durch alle diese eben angedeuteten Arbeiten war B. sehr bald der Mittelpunkt für diejenigen Landesleute geworden, welche sich in einer oder der anderen Weise für geognostische Dinge interessierten. Darauf bezügliche Anfragen, Zusendungen merkwürdiger Mineralien und Petrefacten erfolgten von vielen Seiten. So entstand bei ihm nach und nach eine kleine mecklenburgische geognostische Sammlung, die aber durchaus ungeordnet blieb, weil es ihn, selbst an der nötigen Muße fehlte, sich in das ungemein zeitraubende Studium der Petrefecten auch nur einigermaßen hineinzuarbeiten, ein Studium, welches in den Diluvialländern um so schwieriger ist, weil man gleichzeitig die verschiedenartigsten Formationen ins Auge fassen muss, und dabei von den Spezies in der Regel nur vereinzelte, oft fehl unvollkommene Exemplare zur Verfügung hat. Dennoch blieben jene von Brückner gesammelten Dinge nicht ungenutzt. Nachdem er nämlich mit dem Geognosten Fr. Hoffmann in Berlin bekannt geworden war, vertraute er diesem einen Teil der gesammelten petrefactologischen Schätze zur Bearbeitung an; aus letzterer ist freilich nichts geworden, und durch Hoffmanns frühzeitigen Tod (1835) gingen für Brückner jene Petrefacten meist verloren, einige derselben waren aber durch H. in Leopold von Buchs Hände gelangt, und gaben diesem Gelegenheit zu zwei petrefactologischen Abhandlungen, die er im Jahr 1828 in der Berliner Akademie vortrug, und welche 1831 auch veröffentlicht sind. Die erste führt den Titel: „über die Silicification organischer Körper nebst einigen anderen Bemerkungen über wenig bekannte Versteinerungen;“ er handelt darin über die merkwürdigen Kieselringe, mit denen unsere diluvialen Exemplare der Gryphaea vesicularis in der Regel bedeckt zu sein pflegen, und beschreibt eine höchst wunderbar gestaltete Brachiopode, die er Septaena lata nennt, welche sich aber später als eine Composition aus Chonetes straiatella Dalm. sp. und einer Tentaculites-Art herausgestellt hat. In der anderen Abhandlung „über zwei Arten von Cassidarien in den Tertiärschichten von Mecklenburg“ beschreibt L. v. Buch und bildet zugleich auch ab: Cassidaria depressa nov. sp. aus dem Septarien-Thon von Conow, und C. cancellata n. sp. (= Cassis megapolitana Beyr.) aus dem Sternberger Kuchen. Außer diesen Sachen erhielt L. v. B. aus Brückners Sammlung auch noch ein bei Gr. Methling unweit Demmin gefundenes Exemplar der freilich schon früher im Jahr 1616 durch F. Colonna erwähnten, aber wenig beachteten und gekannten Terebratula diphya, und wenn ich nicht irre, so war es gerade dies mecklenburgische Exemplar, durch welches L. v. Buch in seiner Abhandlung über Terebratula (1834) zuerst wieder auf diese von ihm nun genauer charakterisierte, merkwürdige Art die Aufmerksamkeit der Petrefactologen hinlenkte. Diese Terebratula und jene beiden Cassidarien waren die ersten wissenschaftlich untersuchten und sorgfältig beschriebenen mecklenburgischen Versteinerungen, und somit liegt wenigstens der Keim unserer Petrefactenkunde, der sich jetzt schon zu einer Kenntnis von mindestens 1.000 Arten entfaltet hat, in Brückners kleiner Sammlung, welche auch mir späterhin, als ich in den Jahren 1843 und 1844 unter seiner Leitung und in seinem Hause meine Geognosie der süd-baltischen Länder schrieb, viel Material zu dieser Arbeit geliefert hat.

Mit L. v. Buch blieb Brückner übrigens von jener Zeit an in gelegentlichem Verkehr. Über den letzten Besuch, den v. Buch ihm im Jahr 1850 machte, erzählte er mir brieflich: „am 7. April früh, noch beim Rasieren beschäftigt, wurde ich durch einen Besuch L. v. Buchs überrascht. Ich setzte ihm sogleich eine Schieblade meiner Sammlung vor, in der er dann auch in gemächlicher Ruhe so lange herumstöberte, bis ich mich angezogen und heimlich an Ackermann geschrieben hatte, der denn auch sofort herbeigeeilt kam, alle Taschen voller Mineralien. Der alte 76jährige Herr blieb fast bis Mittag, fortwährend ruhig musternd und uns über Vieles belehrend. Bewunderungswürdig bewandert, kannte er beinahe alles, fand aber doch manches ihm sehr interessante, was ihm natürlich sogleich zu Gebote gestellt wurde. Er machte davon aber so bescheiden Gebrauch, dass wir ihm manches aufdringen mussten, was er entschieden gern hatte; so nahm er z. B. von einer Muschel, die Virck in einem Kreidelager bei Malchin entdeckt hatte (es war Avicula gryphaeoides Sow. von Gielow!), alle 4 Exemplare, die ich hatte, offenbar sehr gern an. Eine kugelrunde Versteinerung mit konzentrisch-strahligem Gefüge, deren mehrere in einem Steine sich befinden, den ich einmal von Dir erhalten habe und die wir nicht kannten, erklärte er für eine Art von Krinoideen (es war Sphaeronites Aurantuium His!), die schon von Linné beschrieben, aber bis auf die neueste Zelt verkannt sei. Er selbst habe ihre wahre Natur erst aufgedeckt in einer Monographie (über Cystideen, Berlin 1845), die er vor seiner letzten Reise nach England geschrieben, und die ihm dort in einer Naturforscherversammlung einen so ehrenvoll beschämenden Empfang bereitet habe, dass er es gar nicht erzählen möge. Natürlich ließen A. und ich nicht nach, und er erzählte denn auch. — Dass auch von Dir die Rede war, und er sich Deiner Arbeit sehr freute, kannst Du denken, und daraus um so mehr ersehen, dass er mir auftrug, Dich zu grüßen und Dich aufzufordern, den Sternberger Kuchen monographisch zu bearbeiten. — Mit den wenigen akquirierten Schätzen in der Tasche, ging er Mittags zum Hause hinaus mit einem etwas schurrenden, langsamen Gange, der mit der Klage, „wenn ich jetzt des Tages 6 Meilen zu Fuße gemacht habe, so will es doch nicht so recht mehr gehen“, — ziemlich kontrastierte. Wie gewöhnlich war er jetzt wieder ohne alles Gepäck auf der Reise, so dass er sie nach Belieben zu Fuß, mit der Post oder auf jegliche andere Weise fortsetzen konnte. Hierher kam er von Berlin mit der Eisenbahn und wollte nach Holstein, um ein fossiles Austernlager, welches bei Bornhöft, und ein anderes, welches bei Lütjenburg aufgefunden, mit eigenen Augen zu sehen. Er hielt diese Lager für einen Beweis, dass Ost- und Nordsee dort früher zusammengehangen und nur durch die Erhebung der cimbrischen Halbinsel getrennt seien; mir erscheint aber dieses Faktum für einen so entscheidenden Ausspruch noch zu isoliert, wenn auch jedenfalls sehr interessant. Er meinte, da er sich von der Leichtigkeit überzeugt habe, Mecklenburg durch die Eisenbahn zu erreichen, so komme er wohl wieder.“ Aber er kam nicht wieder, — drei Jahre später war die ganze irdische Laufbahn des berühmten Geognosten schon vollendet!

Gleichzeitig mit den geologischen Forschungen Brückners die im Jahr 1830 schon so ziemlich abgeschlossen waren, behauptete aber bei ihm auch die Liebe zur Botanik ihre älteren Rechte. Zu einer Verarbeitung der in Italien gesammelten Schätze kam es (wie oben schon angedeutet,) freilich nicht. Im Jahr 1818 aber schickte er, ohne seinen Namen zu nennen, an Oken eine Abhandlung über die Blumenfarben ein, die in dessen Isis (1818) S. 468 f. abgedruckt ist. In dieser kleinen Arbeit machte er (wenn ich recht berichtet bin, — denn ich habe sie selbst nicht gesehen,) zuerst auf eine interessante, die Pflanzenphysiologie betreffende Tatsache aufmerksam, nämlich auf die gesetzmäßige Verteilung der Blumenfarben in der xanthischen und cyanischen Reihe sowohl innerhalb des Varietätenkreises der einzelnen Spezies, als auch des Artenkreises jeder Gattung, — ein Gesetz, welches jetzt allen Botanikern hinreichend bekannt ist. — In eben jener Zeitschrift (1824 Beil. 3) veröffentlichte er hernach auch noch einen kurzen Bericht über den damaligen Stand der Botanik in Mecklenburg. Der Erforschung der vaterländischen Flora hatte er nämlich sehr bald nach seiner Niederlassung in Ludwigslust sich hauptsächlich zugewendet, und diese, ist ihm zu großem Danke verpflichtet. Mit einem tüchtigen Botaniker, den er schon in Ludwigslust vorfand, dem dort nur wenige Tage vor ihm am 23. März 1860 im 92. Lebensjahr gestorbenen Plantagendirektor A. Schmidt, durchstreifte er gemeinschaftlich die Heiden um Ludwigslust, die Wiesen an der Elde und die Elbufer, und ihr botanischer Eifer belebte nicht nur die Gärtner- und Apotheker-Lehrlinge (wie z. B. C. Pohlmann † 1849 in Lübeck und Dr. Betcke), sondern steckte auch manchen der Lehrer an, die an der dortigen Schule und am Seminarium angestellt wurden, wie z. B. Mussäus († als Prediger in Hansdorf), Meyer († als Schulrat in Schwerin), Gerdeß († Rektor in Schwerin), C. Griewank († Präpositus in Dassow). Diese begannen Pflanzen, Mineralien und Insekten zu sammeln, und da sie die Naturgeschichte in den Lehrplan der Schule aufnahmen, so fingen auch bald viele Schüler an zu sammeln. So wurde Ludwigslust bald der Ort in Mecklenburg, in welchem die vaterländische Botanik am meisten blühte, und von wo aus Detharding in Rostock, als er im Jahr 1827 seinen Conspectus Fl. Megap. schrieb, die kräftigste Unterstützung erhielt. Derjenige aber, durch welchen dort dieser Eifer hauptsächlich angeregt wurde, war G. Brückner. Im Umgange der liebenswürdigste Mann, wusste er als feiner Menschenkenner bei jedem, mit dem er verkehrte, sogleich die rechten Seiten anzuschlagen, und namentlich verstand er es meisterhaft jugendlichen Elfer zu naturhistorischen Forschungen anzuspornen. Dies Talent verließ ihn bis zum letzten Augenblicke nicht, und außer den oben Genannten sind noch andere zahlreiche dankbare Jünger durch ihn für die Wissenschaft gewonnen worden.

Selbst veröffentlicht auf diesem Gebiete hat Brückner nur noch einmal etwas. Die Resultate seiner botanischen und geologischen Forschungen in der Kürze zusammenfassend, schrieb er im Jahr 1841 als Anhang zu Langmanns Flora einen Abriss der mecklenburgischen Pflanzengeographie, worin er das ganze Land in fünf geognostisch verschiedene Florengebiete (Elbstrand, Heide, Sand, Lehm und Seestrand) abgrenzt, und eine Charakteristik der botanischen Eigentümlichkeiten dieser Gebiete gibt. Mit dieser kleinen Schrift hat er unseren Botanikern eine neue Bahn geöffnet, indem er sie von dem Stadium des bloßen systematischen Pflanzensammelns auf den Standpunkt geführt hat, auch die interessanten Wechselbeziehungen zu erkennen, welche zwischen der Flora und dem Boden des Landes stattfinden, und wie die Eigentümlichkeiten des letzteren sich in den sehr verschiedenartigen Gestaltungen der ersteren wieder abspiegeln. — Welchen lebhaften Anteil Brückner endlich noch in seinen letzten Lebensjahren an meiner eigenen, in diesem Bande des Archivs abgedruckten floristischen Arbeit genommen, und worin er mich dabei unterstützt hat, darauf habe ich S. 151 schon hingewiesen.

Für sein Herbarium sammelte Brückner fortwährend auch ausländische Pflanzen, wozu sich ihm in Ludwigslust, wo in vier fürstlichen Gärten eine sehr große Anzahl fremder Zierpflanzen gezogen wurde, die günstigste Gelegenheit darbot. Manches bezog er auch durch seine Connexionen von auswärts, und brachte so nach und nach ein ansehnliches Herbarium zusammen. Das Vermehren, Ordnen und Durchmustern desselben war in den letzten Lebensjahren seine Lieblingsbeschäftigung, die ihn fast täglich mehrere Stunden in Anspruch nahm.*)

*) Das Herbarium ist jetzt in den Besitz seines ältesten Sohnes, des Herrn Dr. med. A. Brückner in Schwerin, übergegangen.

Aber nicht bloß die Förderung der vaterländischen Geologie und Botanik, sondern auch die der mecklenburgischen Geographie lag ihm am Herzen. Als im Jahr 1826 unser Landsmann, der aus Stargard gebürtige mit Recht als Geograph geschätzte K. F. V. Hoffmann, welcher als Professor in Stuttgart lebte, ein umfangreiches geographisches Wörterbuch herausgeben wollte, wandte er sich in Betreff der mecklenburgischen Artikel um Beistand cm den Reg.-Registrator Boccius in Schwerin und an Brückner. Letzterer erließ darauf in No. 416 des Freimütigen Abendblatts eine „Bitte an die Bewohner der Städte und Flecken Mecklenburgs um topographische Mitteilungen über ihre Wohnorte.“ Er begründete dieselbe dadurch, dass es noch kein einziges geographisches Werk gebe, aus dem man eine auch nur einigermaßen genügende Kenntnis unseres Vaterlandes sich erwerben könne. „Kein Wunder also (fährt er fort) wenn mancher Mecklenburger, der gern Reisebeschreibungen und Zeitungen liest, auf dem Cap und in Morea besser Bescheid weiß, als in seinem Vaterlande. Ob dies uns Mecklenburgern im Allgemeinen zur Ehre gereiche, will ich eben nicht erörtern. Aber ich hoffe ohne Zweifel voraussetzen zu dürfen, dass auch jedes Städtchen, jeder Flecken des Landes wenigstens einen Mann haben werde, der Fähigkeiten und guten Willen genug besitze, durch Mitteilungen einer kleinen Topographie seines Wohnortes zur Aufhellung dieser Schattenseite unserer Literatur beizutragen. Wer daher Bürgersinn und Vaterlandsliebe genug besitzt, um nicht zu dulden, dass sein Wohnort zurückbleibe und mit Stillschweigen übergangen werde, wo von allen, auch den kleinsten Nachbarorten die Rede ist, der wende ein paar Stündchen daran, und erfreue Unterzeichneten durch Einsendung einer kurzen Beschreibung und allenfalls eines historischen Abrisses seines Wohnortes.“ Für diese Ortsbeschreibungen teilt er dann ein aus 12 Fragestücken bestehendes Schema mit, welches mit vieler Umsicht entworfen, auch hier die vaterländische Naturkunde in den Kreis der Erörterung mit hineinzieht. Welchen Erfolg aber die Bitte gehabt und was aus Hoffmanns ganzem Unternehmen geworden sei, ist mir nicht mehr erinnerlich, obgleich Brückner mir vor Jahren davon erzählt hat.

Letzterer hat selbst im Jahr 1827 nur eine Schilderung der orographischen Verhältnisse Mecklenburgs gegeben, die eine Episode in seinen oben schon erwähnten „Beiträgen zur Geognosie“ bildet. Späterhin im Jahr 1846 veranlasste er mich noch zur Beteiligung an der von Tiedemann 1851 herausgegebenen Wandkarte von Mecklenburg für Schulen, zu welcher ich auch einen kleinen geographischen Leitfaden schrieb, der ihr als Beigabe dienen sollte, welcher aber, da er Herrn Tiedemann zu umfangreich geworden war, schon im Jahr 1847 unter dem Titel: „Mecklenburg, eine naturgeschichtliche und geographische Schilderung“ selbstständig in einem anderen Verlage erschienen ist.

Auch für die Stiftung unseres naturwissenschaftlichen Vereins interessierte Brückner sich lebhaft. Schon im September des Jahres 1845, als A. v. Maltzan nur eben die erste Idee zu einem solchen Unternehmen gegen mich hingeworfen und ich diese an Brückner mitgeteilt hatte, schrieb er: „Die Idee einer Naturforscherversammlung ist sehr gut. Nur müsste sie (nach meiner Meinung) eine freie sein, d. h. ohne Präsident, Sekretär, Katheder, Zopf, Vortrag u. s. w., - ein bloßes Zusammenkommen, Sichkennenlernen und gegenseitiges Ausfragen.“ In wie weit wir diesem Winke gefolgt sind, ist allen Vereinsmitgliedern hinreichend bekannt. Als der Verein endlich im Jahr 1847 wirklich ins Leben getreten war, bemühte sich Brückner nicht allein mehrfach Arbeitskräfte für denselben zu gewinnen, sondern lieferte selbst noch zwei kleine Abhandlungen („Ludwigslust und die Naturwissenschaften“ im Archiv X. I. 1856, und „Vergleichende Zusammenstellung der Sterblichkeitsverhältnisse mit den Gewitterschäden in den verschiedenen Gegenden Mecklenburgs“ im Archiv XIII. I. 1859), — die letzten von ihm im Druck erschienenen Arbeiten.

Und nun am Schlusse noch einige Worte über seinen Charakter, zur Vervollständigung der Andeutungen, die ich darüber oben schon gegeben habe. Länger als dreißig Jahre habe ich in näherer Beziehung zu Gustav Brückner gestanden, — als Knabe habe ich glückliche, an geistiger Anregung reiche Ferienzeiten in seinem Hause verlebt, und bald nach Vollendung meiner akademischen Studien bin ich ein ganzes Jahr dort gewesen, um daselbst Genesung von einem Brustleiden zu finden, welches meinem Leben ein baldiges Ziel zu setzen drohte, — ich habe während dieser Zeit Gelegenheit gehabt Ihn in mannigfachen Lebenslagen und im Verkehr mit den verschiedenartigsten Leuten zu sehen, immer aber denselben geistesfrischen, wohlwollenden, unermüdlich pflichttreuen, von Laune und Leidenschaftlichkeit gänzlich freien Mann in ihm gefunden. Dass er ein Feind alles Geisteszwanges, aller Heuchelei und Kopfhängerei war, braucht bei einem Manne von seiner freien und umfassenden Geistesbildung wohl kaum noch erwähnt zu werden. Achtung, Vertrauen und Liebe sind ihm daher nicht allein im Leben in reichem Maße zu Teil geworden, sondern auch sein Grab ist von dankbaren Händen mit Blumen überschüttet worden.

Da die Entfernung mir selbst nicht gestattet dort einen frischen Blütenkranz nieder zu legen, muss ich mich bescheiden seinem Andenken wenigstens die vorliegenden Blätter als ein Zeichen meines Dankes zu widmen.

Neubrandenburg den 14. April 1860.