Blochmann, Karl Justus (1786-1855) deutscher Pädagoge. Biographie

Allgemeine Deutsche Biographie Bd 2 (1875)
Autor: Paldamus, Friedrich Christian (1823-1873) deutscher Pädagoge und Literaturhistoriker, Erscheinungsjahr: 1875
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Blochmann: Karl Justus B., mecklenburg-schwerinischer Geheimer Schulrat, Professor und Direktor des Vitzhum’schen Geschlechtsgymnasiums und der damit verbundenen Erziehungsanstalt zu Dresden, geb. zu Reichstädt bei Dippoldiswalde im Königreiche Sachsen am 19. Februar 1786, † zu Genf am 31. Mai 1855. Sohn eines Landpfarrers wurde Blochmann nach dem frühzeitigen Tode des Vaters auf das Gymnasium zu Bautzen geschickt, welches er 1805 verließ, um in Leipzig Theologie zu studieren und sich zum Lehrer auszubilden. 1809 ging Blochmann in die Schweiz und schloss sich in Ifferten an Pestalozzi an, bei dem er 8 Jahre als Lehrer und Erzieher blieb; in dieser Zeit lernte er neben anderen Schülern Pestalozzi’s insbesondere Karl v. Raumer (später in Erlangen) und Theodor Schacht (nachmals in Darmstadt) kennen und lieben. Die edle Begeisterung und warme Menschenliebe des großen Schweizer Pädagogen wirkte mächtig auf den Jüngeren und entschied über sein weiteres Leben. Heimgekehrt fand er 1819 eine schulmännische Wirksamkeit in Dresden als Vizedirektor der Friedrich-August-Schule (Bürgerschule) und gründete sich den eigenen Herd, indem er Ottilie Schnorr v. Carolsfeld, des Malers und Akademiedirektors Veit Hans Schnorr von Carolsfeld zu Leipzig (des Vaters der Maler Ludwig zu Wien und Julius zu Dresden) Tochter, als Gattin heimführte. Die Anregungen, welche Blochmann in der Schweiz empfangen, die erzieherische Wirksamkeit, die er dort ausgeübt, ließen ihn in der Stellung an der Dresdner Bürgerschule nicht volle Befriedigung finden; ihn verlangte nach einer selbstständigeren, umfassenderen, im eigentlichen Sinne pädagogischen Tätigkeit; Blochmann beschloß, eine eigene Lehr- und Erziehungsanstalt zu gründen. An der Spitze der königlich sächsischen Regierung stand damals der Kabinettsminister Graf von Einsiedel. Dieser gewann ein lebhaftes Interesse für Blochmann und unterstützte dessen Unternehmen um so lieber, als Blochmann, obwohl der neuen pädagogischen Richtung mit aller Liebe ergeben, sich den Ernst und die Wärme religiöser Lebensauffassung bewahrt hatte; „auch in der Kunst der Erziehung ist Einer unser Meister, Christus“, diese unter einem wohlgelungenen Bildnis Blochmann’s stehenden Worte sind der Grund und Kern seiner Pädagogik geblieben. Des Ministers Fürsprache verdankte Blochmann nicht unerhebliche Unterstützung von Seiten des Königs Friedrich August, so daß er 1824 seine Erziehungsanstalt in Dresden auf der großen Plauischen Gasse eröffnen konnte (siehe das Programm vom Jahre 1826). 1828 ward mit dieser Anstalt das Gräflich Vitzhum’sche Geschlechtsgymnasium vereinigt, welches, auf einer im Jahre 1638 gemachten Stiftung beruhend, erst nach einem langwierigen Prozesse mit der sächsischen Regierung ins Leben trat. Diese Stiftung war bestimmt, 12 Gliedern der Vitzhum’schen Familie und ihrer Agnaten nebst 6 Contubernalen, zu welchen wohlbegabte Söhne Vitzhum’scher Beamten etc. bestimmt waren, die für wissenschaftliche Studien oder auch mehr praktische Berufsarten geeignete allgemeine Vorbildung zu geben und zwar so, daß zugleich für die gesamte Erziehung dieser 18 Knaben und Jünglinge in einem Internate gesorgt würde. Die Bestimmungen des Testamentes zeichneten für diese Vorbildung einen doppelten Weg vor, den gymnasialen und den realistischen, wie wir jetzt zu sagen gewohnt sind, was hier deshalb erwähnt werden mag, weil sich schwerlich viele ähnliche, die zukünftige Zweigestaltung höherer Schulen so bestimmt vorausahnende Äußerungen aus so früher Zeit vorfinden. Die Stiftung, welche für die Zahl von 18 Schülern allein nicht wohl lebenskräftig bestehen konnte, ward durch Vertrag mit der Blochmann’schen Anstalt verbunden, die sich ihrerseits nunmehr als Gymnasium und Realschule mit gemeinschaftlichen progymnasialem Unterbau konstituierte, und der die Rechte eines Gymnasiums von der Regierung verliehen wurden. Da die Vitzhum’sche Stiftung das neben der Anstalt gelegene geräumige Grundstück erwarb, und die Scheidemauer fiel, so war für die bald aufblühende Anstalt ein überaus zweckmäßiges, zudem freundlich gelegenes Terrain gewonnen. In dieser seiner Schöpfung hat Blochmann als Direktor gewaltet bis zum 1. Oktober 1851, von da ab, nachdem Blochmann die Direktion an seinen ältesten Schwiegersohn, Schulrat, Professor und Dr. G. Bezzenberger, abgegeben, noch einige Jahre als Religionslehrer in den oberen Klassen gewirkt, bis Blochmann 1855, nachdem er die jüngste Tochter an den jetzigen Stadtpfarrer F. Summa in Amberg verheiratet, auf einer Reise in das Land seines pädagogischen Werdens, in Genf, bei der dritten Tochter, deren Mann, Dr. C. Haccius, dort eine noch blühende Erziehungsanstalt begründet hatte, am 31. Mai unerwartet von diesem Leben schied. Blochmann darf unter die begabtesten Pädagogen der neueren Zeit gerechnet werden, doch war er ungleich mehr Mann der unmittelbar lebendigen Tat als des auf wissenschaftlichen Studien ruhenden Systems, weit mehr Praktiker als Theoretiker. Im Gebiete des pädagogischen Schaffens darf man ihn geradezu genial nennen, wie der in vielen Stücken eigentümliche Aufbau und innere Ausbau seiner Anstalt bezeugt, der in der Tat nachahmenswürdig erscheint, in dem sich strenge Ordnung und freie Bewegung, Pflege des Geistes und Fürsorge für leibliche Erstarkung, Beharren an den alten sächsischen gymnasialen Traditionen und Berücksichtigung moderner Bildungselemente und Bildungsbedürfnisse (neuere Sprachen und Naturwissenschaft auch im Gymnasium) in glücklichster Weise ergänzten. Auch war das Zusammenwirken des Direktors, des Erziehers, der Inspizienten und Lehrer so zweckmäßig geordnet und gesichert, daß, namentlich nach dieser Seite hin, die Organisation der Blochmann’schen Anstalt (unter seiner eigenen Direktion) als mustergültig bezeichnet werden darf. Es konnte nicht fehlen, daß das Unternehmen bald zu herrlicher Blüte gelangte. Zöglinge aus allen Ländern Deutschlands, ja Europas schlossen sich ihm an, die Söhne der edelsten Geschlechter, ja mehrerer fürstlichen Familien, wie der Großh. Mecklenburgischen, der Fürstl. Reußischen, Herzogl. Sachsen-Altenburgischen, der Fürsten von Taxis, Carolath, Ghika etc. Es gab dies dem Erziehungshause wohl eine etwas aristokratische Färbung, aber in der besten Zeit der Blüte überwog doch das Element leiblicher und geistiger Frische und rüstigen Schaffens; einzelne Auswüchse, die in solchem Kreise ja zu keiner Zeit fehlen, stießen sich leicht ab. Eine ganz besondere Bedeutung gewann die Anstalt durch ihren Einfluss auf die jüngeren Lehrer, die dort ihre pädagogischen Lehrjahre durchlebten. Blochmann verstand prächtig, die seiner Anstalt passenden Kräfte zu finden, ohne daß er eigentlich suchte, und er verstand nicht minder, ihrer Entwicklung freiesten Spielraum zu lassen; er selbst verhielt sich beobachtend, aufmunternd, fördernd, unmittelbar unterstützendes oder gar stützendes Eingreifen war seine Sache nicht. So war das Kollegium seiner Schule immer im Besitze einer größeren Anzahl junger strebender, mit voller Kraft jugendlicher Begeisterung sich der didaktisch-pädagogischen Aufgabe des Hauses widmender Kräfte, die wiederum dort ein reicheres Übungsfeld, eine bessere Einführung ins Berufsleben fanden, als sonst leicht geboten wird, insbesondere war es das dem Lehrer so oft fehlende pädagogische Interesse, der erzieherische Sinn und Takt, was sich dort fürs weitere Berufsleben gewinnen ließ. Namen wie die von Pabst (Arnstadt), Bonitz (Berlin), Stöckhardt (Tharand), Curtius (Leipzig), Schäfer (Bonn), Geinitz (Dresden), Herbst (Schulpforte), Kögel (Berlin), Baumeister (Straßburg), Müller (Grimma), Crecelius (Elberfeld) u. a. m. finden sich in den Lehrerverzeichnissen. Als Lehrer war Blochmann im ganzen, seiner Natur entsprechend, weniger für den systematisch angelegten, ein vorgezeichnetes Lehrziel planmäßig und fortschreitend verfolgten Unterricht; sein Religionsunterricht (er erteilte fast nur diesen) war weit wirksamer in Episoden, wie sie sich aus dem Stoffe oder aus äußeren Anlässen ergaben, als im normalen Verlaufe. Seine große Begabung trat zuletzt unterrichtlich nur bei besonderen Ausnahmefällen hervor, wie wenn er einmal eine geographische oder naturgeschichtliche Aushilfsstunde gab. Ähnlich war es mit seinen Schulgebeten und Schulreden, die oft von der eindringendsten Wirkung waren, und oft auch in eine ermüdende Breite sich ergossen; immer kam es darauf an, daß ein konkreter Anlass zu Grunde lag, dann war das Wort oft geradezu unwiderstehlich. Fragen wir nach dem Grundzuge und Grundtone des Blochmann’schen Wesens und Wirkens, so steht Eins voran: er war ein Mann mit einem Herzen voller Liebe - mit dieser fast überflutenden Herzensgüte steht er gewiss allen seinen Schülern und den meisten seiner Mitarbeiter lebendig vor Augen; daneben das Andere: es lag eine gewisse Lebensfreudigkeit in ihm, eine Herzensfröhlichkeit, die auch dem Lebensgenuss nicht gram sein konnte. Es bedarf nicht der Erörterung, daß solche köstliche Eigenschaften auch die Keime für allerlei Schwäche und Irrung bergen. Aber daß der fromme Sinn des Pfarrhauses in dem Pfarrersohne sich erhalten, das half schließlich auch hier läutern, mildern, ausgleichen. Leider hat die Anstalt, die seinen Namen hätte nimmer ablegen sollen, nur noch zehn Jahre nach seinem Rücktritte von der Direktion bestanden: 1861 wurde sie von dem Vitzthum’schen Fonds angekauft und nennt sich nun Vitzthum’sches Gymnasium; die Realklassen sind aufgegeben. - Von Blochmann’s Schriften ist in erster Linie zu nennen: „Heinrich Pestalozzi, Züge aus dem Bilde seines Lebens und Wirkens“, 1846; sonst noch kleinere Abhandlungen, wie „Über das Herz und seine Pflege bei der Erziehung“ (1844) und Schulreden.