Beiträge zur indischen Erotik

Das Liebesleben des Sanskritenvolkes nach den Quellen dargestellt
Autor: Schmidt, Richard (1866-1939) Indologe, Übersetzer, Schriftsteller, Professor, Erscheinungsjahr: 1922
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Indien, Liebesleben, Erotik, Kamasutra, Sexualleben, Liebesstadien, Liebhaber, Liebhaberin, Lebensweise, Koitus, Anatomie, Zeugung, Schwangerschaft, Liebe, Ehe, Hochzeit, Penis, Vulva, Brautprobe, Freien, Freiwerben, Geheinmlehre, Mittel zur Verhütung, Kindersegen, Potenz, Liebeszauber, Zaubersprüche, Liebespulver
Die erotische Literatur im Sanskrit. Die Stellung der Liebe im trivarga und ihre Definition. Der Liebhaber. Die Liebhaberin. Die Lehre vom Koitus. Die tithis und candrakalas. Die Liebkosungen. Nägelmale. Zahnmale. Haarzausen.
Schläge und Schreie. Freien und Heiraten. Die verheiratete Frau. Verkehr mit den Frauen anderer. Die Hetären. Die Geheimlehre auf erotisch-sexuellem Gebiet usw. usw.

Die „Beiträge zur indischen Erotik" sind der erste Versuch, alles zusammenzustellen, was in den bisher bekanntgewordenen Sanskritwerken über die Liebe gesagt wird. Es ergänzt das „Kamasutra".

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Vorwort zur ersten Auflage.

Auf den folgenden Blättern soll zum ersten Male der Versuch gemacht werden, die Lehren der alten Inder über Liebe und Geschlechtsverkehr zu einem geordneten Ganzen zusammenzufassen. Ursprünglich sollte mein Buch „Indische Erotik" schlechthin heißen; aber ich sah bald ein, dass dieser Titel für das, was ich augenblicklich bieten kann, doch zu unbescheiden klingen müsste. Noch sind ja von den eigentlichen erotischen Schriften nur zwei einigermaßen bekannt, und auch davon nur die eine — freilich auch zugleich die wichtigste, Vatsyayanas Kamasutra — in Text und Übersetzung allgemein zugänglich; die andere, der Anangaranga, existiert nur in einer sehr seltenen englischen Übersetzung. Aber auch die weiteren Quellen, die für unsere Zwecke in Betrachtung kommen, nämlich die Rhetoriker, sind doch nur zu einem verhältnismäßig kleinen Teile herausgegeben, so dass also eine erschöpfende Darstellung des Gegenstandes zurzeit nicht möglich ist. Trotzdem darf ich vielleicht hoffen, dass man angesichts des vielen Neuen, welches ich hier biete, über die Unvollkommenheit des Unternehmens als eines Ganzen hinwegsehen und meine Arbeit als Nachschlagebuch willkommen heißen werde. Manches mag mir entgangen sein: ich werde daher wohlwollende Belehrung dankbar annehmen; weiß ich doch besser und fühle ich doch tiefer als mancher hochmütige Orakler, dass unser Wissen Stückwerk ist!

Mein Buch soll nichts weiter sein als eine Sammlung von Belegen resp. Parallelstellen zum Kamasutra; es will den hier gebotenen Stoff möglichst lückenlos ergänzen und somit indirekt die Stellung kennzeichnen, die dem ehrwürdigen Vatsyayana in der erotischen Literatur der Inder zukommt; doch soll das nicht meine Hauptaufgabe sein: lässt doch der gegenwärtige Stand unserer Kenntnis der indischen Entwicklung es nicht zu, eine auch nur annähernd genaue Aufzählung der zwischen dem Kamasutra und etwa dem Ratirahasya hegenden Schriften vorzunehmen. Im Gegenteil: wir kennen leider über einen Zeitraum von gewiss ziemlich vielen Jahrhunderten gar nichts. Eine Darstellung der historischen Entwicklung und weiteren Ausbildung der Lehrsätze des Vatsyayana wird also niemand von mir verlangen dürfen. Ich gebe vielmehr nur eine Materialiensammlung, wobei ich noch besonders erwähnen will, dass ich absichtlich darauf verzichtet habe, die zahllosen Strophen wiederzugeben, mit denen die Rhetoriker ihre Regeln von den nayikas usw. zu belegen pflegen.

Leider ist es mir nicht gelungen, alle bisher bekannt gewordenen Handschriften einzusehen. Bei vielen war es ja von vornherein unmöglich, da sie sich in Privatbesitz befinden; aber auch von den in öffentlichen Bibliotheken aufbewahrten habe ich nur einen Teil in den Händen gehabt, so die in Puna, dank dem liebenswürdigen Entgegenkommen von Prof. Tawney, während ich leider die gewiss recht interessanten Mss. in Madras trotz mehrmaliger Verwendung des Herrn Dr. Hultzsch bis heute nicht habe bekommen können. Zu Danke verpflichtet bin ich auch Herrn Gymnasialdirektor Prof. Dr. Weicker und Herrn Oberlehrer Prof. Mehliß, beide zu Eisleben, die so gütig waren, Handschriften der Berliner Bibliothek in Verwahrung zu nehmen und mir zu deren Benutzung die Räume der Gymnasialbibliothek zur Verfügung zu stellen. Für gelegentlich gegebene wertvolle Mitteilungen bin ich endlich den Herren Prof. Jacobi, Pischel, Zachariae und Dr. Simon Dank schuldig, was auch öffentlich zu bekennen mir eine angenehme Pflicht ist.

Endlich muss ich leider auch noch eine Warnungstafel aufrichten. Es ist leicht denkbar, dass mein Buch Leser finden wird, die es nicht mit den reinen Augen des Forschers studieren, sondern mit der lüsternen Gier des Wüstlings verschlingen werden. Für sie allein bemerke ich, dass ich mein Buch als ein sehr ernstes, streng wissenschaftliches betrachtet wissen will, wofür schon der Umstand spricht, dass ich überall lateinische Fachausdrücke gewählt, ja, ein ganzes Kapitel lateinisch geschrieben habe, ähnlich wie es Moll oder Krafft-Ebing in ihren so furchtbar ernsten Büchern über die Libido sexualis oder Psychopathia sexualis getan haben. — Wer aber mit faunischem Lächeln meint, dass ich den Stoff mit innigem Behagen bearbeitet habe, auf den passt der Spruch: ,,Was ich selber tu', trau' ich andern zu!" Wie der Weise Vatsyayana, so kann auch ich sagen: ,,In höchster Enthaltsamkeit und Andacht ist dies Buch geschaffen worden für das Treiben der Welt; seine Einrichtung hat nicht die blinde Leidenschaft zum Ziele." Wer mich kennt, wird mir die unbedingte Berechtigung zuerkennen müssen, zu sagen: "Lasciva est nobis pagina, vita proba!"

Es ist jämmerlich, solchen Verwahrungen und Beteuerungen einen Platz in einem wissenschaftlichen Werke einräumen zu müssen, aber man mache mir darob keine Vorwürfe, sondern klage den Zeitgeist an, durch den wir glücklich dahin gekommen sind, dass kein ernstes Buch mehr seines Lebens sicher ist.

        Halle S., den 4. Juni 1901.
                                Richard Schmidt.



                        Vorwort zur zweiten Auflage.

Die zweite Auflage meiner „Beiträge" ist ein genau revidierter Neudruck der ersten. Während ich aber hier alle Sanskritstellen im Original beigefügt hatte, auch solche, die allgemein zugänglich sind, wie z. B. die Zitate aus der Ritual- und Rechtsliteratur, sind jetzt nur diejenigen abgedruckt, von denen man das nicht behaupten kann; also vor allem die aus den eigentlichen Erotikern. Auch auf die Wiedergabe der Zitate aus dem im gleichen Verlage in dritter Auflage erschienenen Kamasutram habe ich verzichtet; man kann sie ja leicht nachschlagen, wenn man Lust hat; übrigens gehören sie nicht unbedingt in das Buch, da es ja die Lehren Vatsyayanas nur ergänzen soll. So ist der Umfang der zweiten Auflage etwas geringer geworden. Selbstverständlich habe ich alles genau durchgesehen und mir die Arbeit nicht leicht gemacht. Bezüglich der in § 13 erwähnten Pflanzen muss ich leider bekennen, dass meine Untersuchungen über die Flora Sanscritica noch nicht so weit gediehen sind, dass ich ihre etwaigen Ergebnisse hätte nutzbar machen können.

        Halle S., den 15. Juli 1910.
                                Richard Schmidt.

Kamasutra 1. From the Temple of the Kailas

Kamasutra 1. From the Temple of the Kailas

Kamasutra 2. From the Temple of Surya

Kamasutra 2. From the Temple of Surya

Kamasutra 3. Temple of Surya at Konarak

Kamasutra 3. Temple of Surya at Konarak

Kamasutra 4. From the Temple of Surya

Kamasutra 4. From the Temple of Surya

Kamasutra 5. From the Temple of Surya

Kamasutra 5. From the Temple of Surya

Kamasutra 6. A Naga from the Temple of Surya

Kamasutra 6. A Naga from the Temple of Surya

Kamasutra 7. Monolithic pillar from a stupa

Kamasutra 7. Monolithic pillar from a stupa

Kamasutra 8. From the Temple of Surya

Kamasutra 8. From the Temple of Surya