Aus früherer Zeit. Band 1 - Kindheit. 5. Das Meer.

Schwedisch-pommersche Zustände auf der Insel Rügen
Autor: Ruge, Arnold (1802 in Bergen auf Rügen-1880 in Brighton) Schriftsteller. 1848/1849 Angehöriger der Frankfurter Nationalversammlung, Vertreter der demokratischen Linken, Erscheinungsjahr: 1862

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Insel Rügen, Tromper Wiek, Heimat, Ostsee, Heimatinsel, Strand, Meer, Fischer, Bauern, Landleben, Franzosenzeit, Sitten und Bräuche, Jugenderinnerungen, Schwedenzeit
Und wirklich spielten die See und die Schifffahrt später eine große Rolle in meiner Phantasie. Meines Vaters Gehöft lag im Tale; ein Forellenbach fließt vorbei, der weiter unten eine Mühle treibt. Vor der See erhebt sich eine beträchtliche Anhöhe, der Uferberg; das Meeresufer fällt dann schroff und tief ab, und ist mit schöner Buchenwaldung besetzt.

                  2. Der junge Schiffer auf dem Uferberge.

      Ihr goldnen Küsten, über's Meer
      Zu Euch möcht' ich hinüberfahren,
      Und weit vom Morgenlande her
      Kam' ich zurück mit seidnen Waren.

      Ich brächte Gold und Elfenbein,
      Korallen, Perlen und Geschmeide;
      Das Alles sollte euer sein,
      Ihr Mädchen, mein die Augenweide,

      Wenn ihr es um den Nacken schlügt
      Und vor dem Spiegel blitzen ließet,
      Wenn ihr es stolz beim Tanze trügt
      Und mein Geschenk den Fremden wieset.

      Wär' nur ein Segelboot zur Hand;
      Ich glitte gleich mit diesem Winde
      Durchs blaue Meer zum fernen Strand
      Und holte Seid' und Gold geschwinde,

3. Wirkliche Schifffahrt erlaubt der steinige Meeresgrund hier nicht; um so mehr blieb sie eine Sache der Phantasie, angeregt durch ferne Segel und ferne Küsten. Von dem Uferberge sieht man über die Tromper Wiek nach Arkona hinüber. Die Tromper Wiek oder Bucht zwischen Jasmund und Wittow ist etwas über eine deutsche Meile breit; beide Halbinseln sind durch die Schaabe oder Schmalhaide, eine sandige Landenge, verbunden. Arkona bildet den Kopf der Insel Wittow, die wie eine langgestreckte Sphinx in die See hinausgreift. Nichts ist schöner, als der Anblick dieses Kreideufers von unseren Höhen. Es glänzt wie Gold und Alpenglühen im Sonnenschein. Ich habe keine Küste in keinem Meere wieder so glänzen sehn. Auch die Schiffe im fernen blauen Meer erscheinen wie goldene Punkte, was ich ebenfalls weder im Mittelmeer, noch im Kanal, oder in der Nordsee gesehen habe. Die Ostsee ist klarer, als der Kanal an der englischen Küste, etwa den Solent bei der Insel Wight ausgenommen; nur das mittelländische Meer übertrifft sie an schöner Bläue und reinem Horizont; aber die goldenen Schiffe und die glühenden Ufer der Heimat fehlten mir, so oft mich auch in Genua, in Spezzia, in Neapel und Salerno seine lieblichen Buchten entzückt.

4. Der Buchenwald am Meere hieß „das Ufer" und wurde für mich der Schauplatz der mannigfaltigsten Abenteuer. Wenn irgend etwas, so möcht' ich diesen Hain der glücklichen Kindheit wiedersehn. Vor der Hand muss es die Erinnerung tun, und hier und da ein ähnliches Plätzchen im freien Albion. Und wenn ich hier sterbe, wie ich allen Grund zu vermuten habe, so mag mein Grabstein der Heimat zurufen:

Menschen ließ ich zurück, und der Heimat freundliche Fluren,
Doch nicht den Stolz und den Mut, welcher die Menschen befreit;
Und es bewegt kein Hauch die gehässige Wolke der Knechtschaft,
Welche des Volkes Gemüt wider die Freien empört,
Und die Vertriebenen ans Ufer der gastlichen Fremde gebannt hält,
Bis sie der Tod umarmt, treu bei der Fahne des Rechts.

Ruge, Arnold (1802-1880) in Bergen auf Rügen geborener Schriftsteller, Verleger und Politiker

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