Aus früherer Zeit. Band 1 - Kindheit. 19. Das Volk steht auf.

Schwedisch-pommersche Zustände auf der Insel Rügen
Autor: Ruge, Arnold (1802 in Bergen auf Rügen-1880 in Brighton) Schriftsteller. 1848/1849 Angehöriger der Frankfurter Nationalversammlung, Vertreter der demokratischen Linken, Erscheinungsjahr: 1862

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Insel Rügen, Tromper Wiek, Heimat, Ostsee, Heimatinsel, Strand, Meer, Fischer, Bauern, Landleben, Franzosenzeit, Sitten und Bräuche, Jugenderinnerungen, blaue Wogen, Brandung, Schiffsuntergang, Schweden
Waren die Franzosen abgezogen, so hieß es jetzt, die Nation müsse dafür sorgen, dass sie nicht wiederkommen könnten, und sich bis auf den letzten Mann bewaffnen. Der Landsturm wurde aufgeboten, mein Vater wurde Leutnant, unser Nachbar Niejahr Fähnrich, die höheren Grade habe ich vergessen; sie schafften sich Säbel an, und der Fähnrich musste die Leute einüben. Man sagte ihm allerlei Versehn dabei nach, die aber seinen Vorgesetzten eben so gut möchten begegnet sein. Einmal soll er am Ufer eines Baches, der zur Rechten war, entlang marschiert sein und kommandiert haben: „rechts schwenkt!" Die Landstürmer hätten geantwortet: „aber Herr Niejahr, da ist ja der Bach"; worauf er: „nun Kinder, dann schwenkt euch links!"

2. Die Bewaffnung dieses Landsturms war keineswegs zu verachten. Mächtige Lanzen wurden von den Zimmerleuten der Höfe nach einem Muster angefertigt, wie die Leute selbst es für handfest und dauerhaft hielten, und der Schmied machte die Spitzen, die ebenfalls von riesiger Länge waren und den Schaft eher noch stärkten, als dass er an ihnen hätte brechen oder abgehauen werden können. Als unser Großknecht und Zimmermann Niclas Pens die Musterlanze fertig hatte, brachte er sie herein und fragte: ob sie nun so recht wäre? Mein Vater erwiderte, wenn sie nur nicht zu schwer wäre, so schiene sie eine furchtbare Waffe zu sein.

„Zu schwer? o nein Herr! man muss sie ja doch mit beiden Händen anfassen, um sie hineinzuschieben. Was ich aber daran auszusetzen habe, ist dies: es sollte irgendwo, hier in der Mitte z. B. ein Zapfen sein, damit einem die Franzosen nicht auf die Hände kommen.“

Seine Vorstellung von einem Lanzengefecht und von der ruhigen Haltung der Franzosen bei der Gelegenheit diente noch lange in unsern Kreisen zur Erheiterung. Mein Vater antwortete ihm: „so nahe würden sie uns wohl nicht wieder kommen, und über den Zapfen müsse er erst mit dem Hauptmann Rücksprache nehmen", was denn auch in der ergötzlichsten Weise geschah.

3. Die Leute lebten überhaupt in etwas derben Vorstellungen. So war einmal in einer Schlägerei auf dem Jahrmarkt ein junger Mann mit einer Wagenrunge erschlagen worden. Der Täter kam vor den Richter, und dieser wandte sich an ihn mit der Frage, wie er aber auch zu einer so furchtbare n Waffe habe greifen können? „Kunn ick weeten", erwiderte der Bauer, „dat de Kierl so'n Gooskopp hedd'?" Konnte ich wissen, dass der Kerl so einen Gänsekopf hatte?

4. Mein Vater glaubte nicht, dass die gewaltigen Lanzen je in Bewegung gesetzt werden würden; dennoch kam plötzlich der Befehl zum Aufbruch und die ganze wehrfähige Bevölkerung zog aus, nur Weiber und Kinder blieben zu Hause. Glücklicherweise war es ein falscher Lärm gewesen, und am Abend kehrte Alles wieder zurück.

Es hatte geheißen, Davoust habe Hamburg verlassen, und ziehe gegen Rostock und Stralsund heran. Ihm wollte man einen allgemeinen Volksaufstand entgegenwerfen, und die Maßregel, so unnötig sie war, zeigte doch den Ernst der Stimmung und eine Haltung der Massen, die den Franzosen früher nicht vorgekommen war. Man wagte Alles und opferte Alles, und mit dem Zorn dieser Massen war nicht zu scherzen.

5. Am meisten fehlte es an Gelde. Preußen, welches voranging, war erschöpft und ausgesogen. Man wandte sich daher an den Patriotismus der Menschen und es flossen unzählige Silber- und Goldopfer von allen Seiten zusammen. Ich selbst hatte ein paar silberne Sporen zum Weihnachtsgeschenk erhalten; sie gingen mit als Beitrag „für die gute Sache. Es war mir keine geringe Genugtuung, etwas „für die gute Sache" getan zu haben; ich wusste noch nicht, wie unersättlich diese gute Sache, besonders in der Gestalt der deutschen Freiheit ist.

Ruge, Arnold (1802-1880) in Bergen auf Rügen geborener Schriftsteller, Verleger und Politiker

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Die Befreiung 1813-1814-1815, Original-Cover

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Die Trümmer der französischen Armee bei ihrer Rückkehr ins Vaterland. 4

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Blücher, Gemälde von Gebauer (Hohenzollernmuseum)

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Ostpreußisches National-Kavallerie-Regiment, Preußen

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