Aus früherer Zeit. Band 1 - Kindheit. 10. Der englische Kapitän

Schwedisch-pommersche Zustände auf der Insel Rügen
Autor: Ruge, Arnold (1802 in Bergen auf Rügen-1880 in Brighton) Schriftsteller. 1848/1849 Angehöriger der Frankfurter Nationalversammlung, Vertreter der demokratischen Linken, Erscheinungsjahr: 1862

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg-Vorpommern, Insel Rügen, Tromper Wiek, Heimat, Ostsee, Heimatinsel, Strand, Meer, Fischer, Bauern, Landleben, Franzosenzeit, Sitten und Bräuche, Jugenderinnerungen, Schwedenzeit
Ein andermal zur Sommerzeit war ich mit meinem Vater „im Ufer" — so hieß das Gehölz. — Als wir aus dem Wäldchen heraus ans Wasser traten, erblickten wir ein Schiff, von dem ein Boot abstieß und rasch aufs Land zuruderte. „Es ist ein Engländer", sagte mein Vater; „sie wissen doch gleich, dass keine Franzosen da sind. Lass uns herangehen, und sehn, was sie wollen."

Vater, wenn die uns nur nicht mitnehmen! was sollte wohl aus Mutter und Allen zu Hause werden!

„Mein Sohn, die Engländer sind keine Seeräuber.“

Sie nehmen aber Leute mit Gewalt auf die Schiffe; das hat mir Peter Bins erzählt.

„Das müssen aber Engländer sein; Fremde von fremden Küsten dürfen sie nicht wegführen.“

Ich dachte, wenn sie's nun aber tun? und ging nicht ohne Besorgnis mit.

2. Wir langten ziemlich zugleich mit dem Boote bei dem Ausfluss einer kleinen Quelle an. Sie wollten frisches Wasser einnehmen, und trafen den richtigen Landungspunkt so genau, als wenn sie hier zu Hause gehörten. Die Quelle führte kleine Steine in die See. Auf diese lief das Boot auf. Es war noch nicht ganz am Lande. Einige Matrosen sprangen ins Wasser und trugen den Kapitän ans Land; dann wurde das Boot nachgezogen und festgelegt. Alle sprangen nun ans Land, und im Nu waren Spaten, Fässer, Eimer und Trichter zu den Fässern herangeschafft. Was wollen sie nur mit den Spaten? dachte ich. Diese waren aber sehr nötig. Denn die Quelle hatte nirgends Wasser genug, um es mit dem Eimer auszuschöpfen; die Matrosen machten sich also ans Werk und in kurzer Zeit hatten sie ein tiefes und weites Loch gegraben, in das sie die Quelle hineinlaufen ließen, die sie vorher abgestaut hatten. Nun konnten sie schöpfen, und die mitgebrachten Fässer füllten sich rasch mit schönem klaren Wasser. Ich ließ kein Auge von ihnen.
Mein Vater war indessen mit dem Kapitän im Gespräch, der Schwedisch verstand, dessen auch mein Vater mächtig war. Als der Kapitän hörte, dass mein Vater Herr des Bodens sei, hatte er höflich um Erlaubnis gebeten, Wasser einnehmen zu dürfen. Sodann lud mein Vater ihn zu Tische, was er annahm, wenn er einigen Rum mitbringen dürfte, und Eier, Geflügel und einige Hammel auf dem Hofe kaufen könnte. Als dies Alles abgemacht war, fiel die Unterredung auf mich. Der Kapitän klopfte mir auf die Schulter, und sagte, „ich habe zu Hause gerade so einen Burschen wie Sie", und ließ dann durch meinen Vater die Frage an mich richten, ob ich mitfahren wolle. Ich könne mit seinem Sohn zusammen aufwachsen und zur See gehen.

Siehst Du, Vater, hab' ich Dir's nicht gesagt? rief ich aus, er will mich mithaben. Nein, wenn ich ein Schiffer werde, so will ich's auf Deutsch werden

Beide lachten herzlich über meine Antwort. Dann sagte der freundliche Kapitän: „Nun, mein Sohn, so kannst Du bis Greifswald mitfahren; dort hat Dein Vater gewiss Freunde, und ich kann Dich zu ihnen bringen, denn ich habe dort zu tun.“

Ich sagte, ich wollte Mutter fragen, wenn wir nach Hause kämen; dachte aber: Du sollst mich nicht wieder zu sehn kriegen, wenn ich nur erst auf dem Hofe bin.

Der Kapitän hatte drei Flaschen Rum mit. Eine gab er den Matrosen, zwei nahm er mit für meinen Vater. Zwei Matrosen begleiteten uns; sie sollten die Hammel, die Hühner, die Eier u. s. w., die der Kapitän einkaufen wollte, an Bord schaffen.

Mein Vater behielt den Kapitän auch noch nach Tische bei sich; und dieser hatte sich die ganze Familie so sehr zu Freunden gemacht, dass ihn Alles nach dem Ufer zurückbegleitete, als er aufbrach. Nur ich war verschwunden, um nicht mitgenommen zu werden, wäre es auch nur bis Greifswald.

Ruge, Arnold (1802-1880) in Bergen auf Rügen geborener Schriftsteller, Verleger und Politiker

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Schlacht von Trafalga 1805

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