Aus dem antiken Badewesen

Medizinisch kulturgeschichtliche Studien an Vasenbildern.
Autor: Sudhoff, Karl Dr. (1853-1938) Prof. der Medizingeschichte in Leipzig, Erscheinungsjahr: 1910
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Antike, Badewesen, Badekultur, Körperpflege, Gesundheit, Badestuben, Waschungen, Fußwaschungen, Wasser, Waschbecken, Baden, Badewasser, Badebecken, Hautpflege, Vasen, Vasenbilder, Kulturgeschichte,
Einführung

„Eule und Luter“ zeigt uns die Malerei auf einer schwarz-figurigen Vase früher Zeit, (B. 354) im Britischen Museum, die wir als Titelvignette dieser Studie zum antiken Badewesen gewählt haben, „Eule und Luter“ und zwischen beiden eine Hand, von dem nachdenklichen Vogel der Athene zum Badebecken auf hohem Fuße weisend, als habe die scherzende Künstlerlaune das Pindarische „Wasser ist das Beste“ , etwa in einem Satze wie „im Waschbecken liegt die Wahrheit für die Hautpflege“ travestieren wollen — „Eule und Luter“ nehme ich auch als Wahrzeichen für die kommende Abhandlung, die medizinisch-archäologische Vasenstudien zunächst einmal für die antike Kulturgeschichte im Bereiche des Badewesens fruchtbar zu machen sucht. Was die Vasenbilder in der kurzen Zeitspanne ihrer Blüte vom ausgehenden 6. zum beginnenden 4. Jahrhundert vor Chr. für dies Gebiet griechischen Lebens mir geboten haben, ist in der folgenden Darstellung im Wesentlichen erschöpft. Sie bringt zum größten Teile unveröffentlichtes Bildmaterial, und wo sie schon bekanntes verwendet, sucht sie es durch Treue zum Original urkundlich und wissenschaftlich voll verwertbar zu machen. Wo der Standort der einzelnen Vasen heute noch eruierbar war, ist stets die Originalphotographie allein zur Reproduktion verwendet worden. Der Verleger ist meinen Wünschen aufs Bereitwilligste entgegengekommen.

Auf Bronzen, Terrakotten und Steinreliefs ist nur ergänzungsweise hinübergegriffen worden, ohne auch nur daran zu denken, das reiche, in seiner Provenienz weit über ein Jahrtausend sich erstreckende Material zu erschöpfen, das schon gesammelt ist. Auch der Vasenbilder, die ich zusammen gelesen, sind zwar weit mehr, als hier im Bilde wiedergegeben, aber neue Gesichtspunkte hätte eine weitere Häufung paralleler Darstellungen nicht gebracht.

Vielleicht lassen wir die Eule unseres Studiums ein andermal auf andere Bezirke des antiken Badewesen flattern — diesmal steht der „Luter“ in der Mitte unseres Interesses und was sich Reinheit suchend um ihn drängt.

Leipzig, am 19. September 1909.
                        Karl Sudhoff.



                                *******************************


                                Inhalts-Verzeichnis.


        I. Das Fußbad

        II. Am Waschtisch

        III. Im öffentlichen Bade



                              I. Das Fußbad.

Der Studien über das Bad in der klassischen Antike sind Legion. Bald in flüchtigen Umrissskizzen, bald in gewichtigen, schwer dahinwandelnden Untersuchungen hat man von den zahllosen Badeanlagen gehandelt, die namentlich im kaiserlichen Rom nach griechischem Urbild in den Riesenbauten der Thermen eines Titus, Trajanus, Caracalla, Diocletianus und Constantinus unser Staunen und Interesse wecken, aber auch allenthalben da zu finden sind, wo der Römer in der Fremde Fuß fasste, wo er sich dauernd niederließ, seine südländische Gewohnheit des warmen Bades mit sich nehmend auch in die unwirtlichen Gefilde, die rauen Wälder Germaniens.

Ich bin auch diesen römischen Badeanlagen auf deutschem Boden nachgegangen und habe eingesehen und gesammelt, was darüber in Schriften, Plänen und Aufnahmen zu finden war. Auch dies Studium bietet noch vieles interessante Detail und manchen allgemeinen Gesichtspunkt, den darzulegen sich wohl lohnen würde, zumal die Beobachtungen, durch welche Maßnahmen die Römer ihre südlichen Einrichtungen im Baue dem nordischen Klima angepasst haben. Aber von all' dem soll diesmal so wenig die Rede sein, wie etwa von dem üppigen Leben in den Hallen des Luxus der Cäsarenzeit, wo die Bedürfnisse der Reinlichkeit, der Hautpflege und die Sorgen der allgemeinen Gesundheitspflege kaum noch einen nebensächlichen Gesichtspunkt bildeten, wo alles auf raffinierten Lebens- und Sinnengenuss abgestimmt und hergerichtet war: gewiss auch ein wichtiger und dankbarer Vorwurf für den Griffel des medizinischen Kulturhistorikers! Aber ich suchte mir zunächst über anderes klar zu werden, über die einfacheren Verhältnisse in und außerhalb Hellas, namentlich in seiner guten Zeit, über das öffentliche und namentlich auch das Hausbad in Athen und anderen Stätten griechischen Lebens, über das Einzelbad, das Spülen und Waschen des Körpers bei Kind und Weib, bei Jüngling und Mann, daheim, im Badehaus der Palästra und den öffentlichen Bädern, und auch das vor allem auf Darstellungen der Plastik, Kleinplastik und Keramik, besonders auf Vasenbildern, speziell auf den rotfigurigen Vasen in der kurzen Zeit ihrer hohen künstlerischen Blüte im fünften Jahrhundert, die jeden entzückt, dem einmal die Augen dafür aufgegangen sind.

Hier treffen wir auf das Kleinleben des Tages, auf den Griechenjüngling im Baderaum des Gymnasiums, die Griechin bei sich zu Hause an ihrem Waschtische, dem „Luter“, oder im Frauenbade. Hier sind aber auch nicht selten mythologische Stoffe behandelt, die sonst das ernste Relief bevorzugen, hier finden wir auch Szenen aus dem Lebensgange der griechischen Nationalhelden usw. zur Darstellung gebracht, im technischen Detail, das den medizinischen Kulturhistoriker vor allem interessiert, vielfach mit den Augen des Tages gesehen und nach den Linien der Wirklichkeit gezeichnet. Aber auch das heroische Relief bringt nicht selten indirekt uns Kunde vom Privatleben des Griechen Volkes.

Alle Untersuchungen über das Kulturleben des Griechentums müssen mit dem Studium der altkretischen Kultur und der mykenischen anheben, die auch über das Badewesen uns mannigfache und wichtige Aufschlüsse schon gebracht haben, wenn sie auch über die Spezialfrage des heutigen Aufsatzes, über das Fußbad noch keine Dokumentenausbeute mir geliefert haben.

Aus einem benachbarten und in manchem verwandten Kulturkreise, dem kyprischen, tritt statt dessen eine hochwichtige Ergänzung ein in einer kleinen Terrakottafigur, die schon von anderer Seite erwähnt und vorgeführt worden ist, teilweise aber missverstanden wurde.

General Graf Luigi Palma di Cesnola hat vor mehr als 30 Jahren schon über seine Ausgrabungsergebnisse auf der Insel Kypros berichtet. Zu einigen Geschenken, welche er der Akademie der Medizin zu Turin machte, gehörte auch das Figürchen, welches wir unter Nr. 1 und 2 nach Originalaufnahmen zur Abbildung bringen, die wir durch Vermittlung unseres Freundes, des bekannten Pharmakologen und Historikers Piero Giacosa in Turin uns beschaffen konnten. Freiherr von Oefele schildert dies hockende, fette Frauenfigürchen als eine „Frau mit einem gynäkologischen Leiden, welche entweder eine Scheidenwaschung oder eine Scheidenräucherung vornimmt“. *) Auf den ersten Blick scheint diese Auffassung des kleinen Kunstwerkes recht plausibel, wenn man es von vorn betrachtet oder die Reproduktion sieht, die Giacosa seinen „Magistri Salernitani nondum editi“ auf Tafel 34 beigegeben hat. Zieht man das Original oder eine Reihe von Aufnahmen von verschiedenen Seiten, deren mein Institut vier besitzt, zu Rate, so stellt sich das „gynäkologische Leiden“ einfach als „schmutzige Füße“ heraus, die in einem Lande, in dem man nur Sandalen trug, sicher nichts Auffälliges oder Entwürdigendes haben.

*) Puschmann-Pagel-Neuburger, Handbuch der Geschichte der Medizin I., S. 91.

Fig. 1. Dame beim Fußbade. Kyprische Terrakotte.

Fig. 2. Dame beim Fußbade. Kyprische Terrakotte.

Wir geben das Figürchen von der Vorderseite und von der Rückseite. Die letztere räumt sofort mit dem scheinbaren Sitz über dem Becken auf. Das korpulente Dämchen sitzt auf einem harten Polster, einem Holzklotz oder einer Steinplatte, und neben ihr steht zu ihrer Linken ein flaches Ton- oder Metallgefäß von schwachbauchiger Form, unter dem leicht ausladenden Rande etwas eingezogen. Die geringe nierenförmige (bidetartige) Einziehung in der Mitte, welche die eine der beiden Aufnahmen erkennen lässt, ist nur scheinbar; das Gefäß ist rundlich, leicht länglich geformt. Offenbar begnügt sich das Frauchen damit, seine linke Hand ins Wasser zu tauchen und mit nassen Fingern Erde, Sand und Staub an ihren Füßen zu beseitigen. Hoffen wir, dass sie sich entschließt, diese etwas mangelhafte Prozedur durch Eintauchen der Füße in das Wännlein zu vervollständigen. Der Schwamm scheint in kyprischer Frühzeit noch keine Verwendung gefunden zu haben; später werden wir ihn in Griechenland ständig im Gebrauch und unzählige Male abgebildet finden.

Ein dem flachen Wännchen der Kyprierin durchaus ähnliches Gefäß zur Fußwaschung finden wir auf einem Relief des fünften Jahrhunderts wiedergegeben, das O. Kern im Jahre 1899 zu Mussaki in Thessalien aufgefunden hat, auf einem Marmorrelief der berühmten Erkennungsszene des Odysseus durch seine Amme Eurykleia, das einst als Anathem in einem Heiligtum des alten Gomphoi aufgestellt gewesen sein mag. Es findet sich heute im Nationalmuseum zu Athen. Wir sehen (Fig. 3) den heimkehrenden Irrfahrer auf einem Stuhl sitzend, den rechten Fuß über die flache Schüssel halten, die der kyprischen fast völlig gleicht. Die treue Dienerin hatte den Unterschenkel ihres Herrn unter der Wade gestützt und wusch den Fuß mit (dem Schwamm in?) der rechten Hand. Eben hat sie die Narbe am Knie des Odysseus erkannt und will in großer Erregung aufspringen, da gebeut ihr ihr Herr mit der rechten Hand Schweigen, auch ihrer Herrin Penelope gegenüber, die auf der rechten Seite des Reliefs vor ihrem Webstuhle steht, die rechte Hand mit dem Webeschiff erhoben und der Badeszene den Rücken kehrend.

Eine etwas ältere Darstellung dieser Fußbadeszene ist auf einem melischen Tonrelief im Athenischen Nationalmuseum (Nr. 9753) zu finden. Leider ist sie nur ein Fragment, das nur eine Ecke des Waschbeckens zeigt, die aber doch eine der thessalischen Darstellung ganz ähnliche flache Form der kleinen Wanne erkennen lässt, zweifellos aus Metall mit den vielfach üblichen Löwenfüßen, aber hier ganz außen unter dem Gefäßrand angebracht, der Schüssel einen sehr festen Stand verleihend. *)

*) Siehe die Abbildung auf Tafel XIV rechts im 25. Bande der Athenischen Mitteilungen vom Jahre 1900.

Die Szene aus der Odyssee ist nicht selten dargestellt auf Sarkophagen,*) Vasen und Gemmen, **) vielfach in dramatischer Lebendigkeit, wie auf der bekannten, stark modernisierten Tischbein sehen Darstellung in den „Homerischen Szenen“, auf welcher die erregt aufspringende Dienerin oder der niedergeglittene Fuß des Odysseus die der eben betrachteten (Fig. 3) ganz ähnliche Waschschüssel umgestürzt hat. Auf anderen Darstellungen dieser Szene ist das Gefäß napfartig tief, wie wir sonst auf Vasen wohl den Waschtrog gebildet finden, in dem Wäsche gereinigt wird (s. u.). Ein Bronzegefäß mit Henkeln und enge gestellten, niederen Füßen zeigt die anders aufgefasste Erkennungsszene auf einem Chiusinischen Skyphos, auf welchem die Dienerin am Boden kniet, während Odysseus in aufrechter Stellung sich auf einen langen Wanderstab mit Querkrücke in der rechten Achselhöhle stützt und den linken Fuß über die Wanne der getreuen Eurykleia entgegenhält, die ihn mit der Linken stützt und ohne Schwamm mit der Rechten wäscht (Fig. 4).

Fig. 3. Fußwaschung des Odysseus. Thessalisches Marmorrelief.

Fig. 4. Fußbad des Odysseus. Chiusinisches Vasenbild.

Dieser der Antike so geläufige Vorwurf der Fußwaschung des Odysseus hat offenbar der byzantinischen und mittelalterlichen Kunst in den Darstellungen der Fußwaschung Christi als Vorbild gedient, deren ich gar viele auf Bronzereliefs, Elfenbeinschnitzereien und Handschriftenminiaturen gesehen und zum Teil in Nachbildung gesammelt habe. Hier ist, genau wie bei der dem Bacchusbade der Antike nachgebildeten Badeszene des neugeborenen Christkindes, ***) die Fußbadeschüssel zur hochfüßigen flachen Vase geworden. Ich gebe zum Vergleich eine dieser Darstellungen auf einem Salzburger Evangeliar des zwölften Jahrhunderts (Fig. 5) aus der Münchener Hof- und Staatsbibliothek.

*) Robert, Sarkophag-Reliefs II, 139B. und 203.

**) Furtwängler, Gemme 2483 und 4349.

***) Vergl. Ferd. Noack, Die Geburt Christi in der bildenden Kunst bis zur Renaissance. Darmstadt 1899.


Fig. 5. Fußwaschung Christi. Miniatur in einem Salzburger Evangeliar.

Noch eine andere griechische Sage stellt eine Fußwaschung in den Mittelpunkt ihrer Peripetie, das Skiron-Abenteuer des Theseus, das uns von einem Räuber erzählt, der an der Meeresküste zwischen Attika und der Megaris sein Wesen trieb, Skiron, der an enger felsiger Küstenstelle die des Weges ziehenden Wanderer zwang, ihm die Füße zu waschen, und die nichtsahnend mit diesem Dienste Beschäftigten durch einen Fußtritt vom Felsen ins Meer stürzte. Der attische Nationalheros, Theseus, befreite die Gegend von dieser Landplage, indem er den Riesen nach einer Lesart am Fuße erfasste und vom Felsen schleuderte, nach der anderen ihn mit der ehernen Fußwanne erschlug.

Griesgrämig sitzt der bärtige Geselle in einem Vasenbilde auf dem Felsen, vor ihm das flache, gehenkelte Badebecken mit dem stark eingezogenen, runden Fuße (Fig. 6). Den linken Fuß hat er auf den Rand des Waschbeckens gestellt, den rechten hält er über die Schüssel, dem knabenhaft vor ihm stehenden Helden zum Waschen ihn darbietend — eine Fußbadeszene, wie sie niedlicher und charakteristischer nicht gedacht und gezeichnet werden konnte.

Sehr geeignet für seinen Zweck will uns dies Gefäß nicht gerade scheinen. Der schmale, wenn auch niedrige Fuß führte bei der Verwendung gewiss leicht zum Umkippen der Schale und zum Verschütten ihres Inhaltes und doch hat sich gerade dieses Gefäß mit der kleinen Standfläche auf Darstellungen der Fußwaschung lange bildnerisch erhalten, wie wir sahen und noch sehen werden, und mir scheinen dabei nicht etwa nur künstlerische Bedürfnisse nach Grazie und Eleganz wirksam gewesen zu sein, sondern wirkliche Gebrauchsformen des täglichen Lebens wiedergegeben zu sein, wie ich noch zeigen werde.

Andere Darstellungen des Skiron-Abenteuers zeigen uns den Helden, wie er gewaltig im Schwünge das schwere dreifüßige Becken am Henkel hoch erhoben hat, bereit, es auf den Kopf des Missetäters niederzuschmettern, dessen abwehrende Rechte er zur Seite schiebt (Fig. 7), oder wie er an einem Fuß (Fig. 8) oder an beiden Beinen ihn gepackt hat (Fig. 9) und den an den Felsen sich Klammernden losreißt und in den Abgrund schleudert.

Fig. 6. Fußbad des Skiron. Vasenbild.

Fig. 7. Theseus erschlägt den Skiron mit dem Fußbadebecken. Vasenbild.

Fig. 8. Theseus stürzt den Skiron in die Tiefe. Vasenbild.


Auf keiner dieser, zum Teil von erstklassigen Künstlern gezeichneten Szenen ist das Badebecken vergessen, das dem Bilde erst die sichere Charakterisierung gibt. Seine Form wechselt wohl etwas nach dem Geschmacke des Künstlers, aber es sind doch stets dreifüßige Metallbecken, zierlich mit Henkeln zum Tragen versehen; nur im mittleren der drei Bilder haben die Löwenfüße die nach unserem Gefühl nötige Spannung oder Stehweite, um dem flachen Gefäße eine praktische Standfestigkeit zu verleihen. Als ein zweckmäßiges Gebrauchsmöbel kann zunächst nur dies eine uns gelten. *)

*) Auch die sehr beschädigte Schale der Euphronios lässt ein recht breites flaches Bronzebecken erkennen, das auf drei recht enge gestellten Löwenfüßen ruht. (Siehe Wilhelm Klein, Euphronios, Wien 1886, S. 194.)

Als Übergang von den Heldendarstellungen zu den schlichten Genrebildern aus dem täglichen Leben, deren die Vasen so viele und zum Teil entzückende uns bringen, sehen wir uns die drei mit intimer Toilette beschäftigten Frauen der Würzburger Phineus-Schale an (Fig. 10), die sich trotz der Palmenbäume zu beiden Seiten der Gruppe (und trotz der lüstern heranschleichenden, hier nicht mit abgebildeten Satyrn) doch wohl nicht völlig im Freien befinden, da sie doch ihre Gewänder an Pflöcken in der Wand aufgehängt haben. Nach Beendigung der Haarpflege in kunstvoller, vielflechtiger Frisur *) soll wohl die Fußwaschung in dem kleinen Becken vorgenommen werden, das unter dem ungewöhnlich tief, kaum in Hüfthöhe angebrachten Löwenmaulauslauf einer Wasserleitung steht. Doch ist diese Deutung nicht völlig einwandfrei. Das Gefäß selbst, die Waschschüssel, ist offenbar von Bronze gedacht und mit seinen auswärtsgebogenen Füßen dem Fußwännchen der Skironbilder recht ähnlich.

Fig. 10. Frauen bei der Toilette. Von der Phineus-Schale in Würzburg.

*) Dass sich auch die Frauen das Haupthaar durch einfaches Durchgießen von Wasser aus einer Kanne oder einem Kruge in Knie- oder Hockstellung zu reinigen pflegten, lassen andere Vasenbilder erkennen, die ich im zweiten Abschnitte vorführe. Ein Knabenbild in dieser Weise findet sich S. 21 unter Fig. 15.

Mitten in die Fußpflege hinein führt uns das Vasenbildchen des Louvre (Saal G, Nr. 291), das wir unter Fig. 11 abbilden. Er steht neben der niederen Fußbadewanne aus Bronze mit verziertem Dreifußuntergestell und Henkeln und der viel gebräuchlichen „Lieblingsinschrift“ und drückt mit beiden Händen den Schwamm aus, der ihm zur Reinigung der Füße gedient hat. Die Sandalen hängen gebrauchsfertig an Wandhaken und sollen sofort angelegt werden, um den Jüngling marschfertig zu machen, wie auch der hinter ihm unterhalb der runden, geldbeutelförmigen Ölflasche (Aryballos) und dem Strigilis an der Wand lehnende Wanderstab andeutet und die zweite Inschrift, „er macht sich zum Marsche fertig“ zwischen dem Jüngling und seinen Sandalen noch besonders betont.

Fig. 11. Fußwaschung vor dem Marsche. Vasenbild im Louvre.

Nicht so sicher auf das Fußbad zu deuten ist die Knabenszene im Grunde einer Münchener Schale (Fig. 12), welche den Jungen in halb hockender Stellung neben einem hohen Waschnapfe zeigt, der an eine Waschbütte erinnert, wie sie z. B. Abbildung 13 von einer Vase des Louvre (Saal G, 547) in niedlicher Szene zweier Mädchen, geschürzt bei der Wäsche uns vorführt. Eine Badeszene ist das Münchener Bild zweifellos, das beweist schon der an der Wand hängende Badebedarf; und dass auch auf einigen Darstellungen des Fußbades des Odysseus solch tiefe, napfförmige Gefäße als Fußwannen sich finden, habe ich schon oben angedeutet.

Fig. 12. Knabe beim Bade. Vasenbild (München).

Fig. 13. Mägde am Waschtrog. Vase im Louvre.

Eben die Toilette der Füße beendigt hat das junge Weib im Grunde einer Berliner Vase (Nr. 2272) und ist nun mit dem Anlegen der Sandalen in fast kniender Stellung beschäftigt (Fig. 14) neben ihrer ehernen Fußbadewanne, die in der Form lebhaft an die Badeschüssel des ersten Skironbildes (Fig. 6) erinnert: ein niederer runder Fuß, etwas schmal in der Standfläche für das große, mit Henkeln versehene Becken, das in seiner Stabilität einigermaßen zweifelhaft sich darstellt.

Fig. 14. Mädchen, nach dem Fußbade die Sandalen anlegend. Vasenbild (Berlin).

Keinerlei Bedenken in dieser Hinsicht erweckt die Fußwanne unseres letzten Bildes (Fig. 15), das den ganzen Badeapparat der Epheben im Baderaum der Palästra uns vorführt: Kopfübergießung zur Reinigung des Haares, das große, hochstehende, tischartige Waschbecken zur allgemeinen Körperreinigung (der „Luter“) und die geräumige Fußbadewanne vorn am Boden, die das praktischste Gefäß zu diesem Zwecke darstellt, das man sich denken kann, in das man sich zur Not mit beiden Füßen hineinstellen konnte, um sich dieselben zu reinigen. Freilich zum bequemen Ausgießen dieses großen niederen Beckens waren wohl vielfach zwei Mann erforderlich, um es gefüllt zu heben und in die Ausgussrinne am Boden des Waschraumes zu entleeren, während man es aus dem Henkelkrug an der Kette leicht zu füllen in der Lage war, der auch zur Kopfdusche Verwendung fand; wir kommen in einem späteren Artikel auf das ganze Bild der Epheben beim kalten Bade aus dem Britischen Museum (E. 83) noch einmal zurück. Für diesmal wollte ich nur auf die Fußwanne hingewiesen haben, die in der Form dem ersten kleinen kyprischen Wännlein am nächsten steht. Mag sein, dass man zum Privatgebrauch in dem Waschräume des Hauses die schweren bronzenen Fußwannen eben deshalb auf so schmalen Untersatz oder enggestellte Füße setzte, damit sie durch seitliches Umkippen auf die Abflussrinne im gepflasterten Estrich leicht entleert werden konnten. Hatten sie doch schon leer ein respektables Gewicht, geschweige gefüllt mit reichlichem Wasser.

Fig. 15. Epheben im Baderaum der Palästra. Vasenbild im Brit. Museum.

Dass man warmes Wasser zum Fußbade verwendet hätte, dafür gibt uns keines der hier gegebenen Bildchen und kein anderes mir bekanntes einen Anhalt. Es will uns auch für südliche Verhältnisse und das Griechenland des fünften vorchristlichen Jahrhunderts, dem die meisten Vasenbilder angehören, nicht gerade sehr wahrscheinlich dünken. In der Palästra, wie das letzte Bild es darstellt, kam das Wasser auch für die Fußwaschung bestimmt kalt vom Brunnen weg zur Verwendung.

000. Aus dem antiken Badewesen, Titelblatt

000. Aus dem antiken Badewesen, Titelblatt

001. Dame beim Fußbade, Kyprische Terrakotte

001. Dame beim Fußbade, Kyprische Terrakotte

002. Dame beim Fußbade, Kyprische Terrakotte

002. Dame beim Fußbade, Kyprische Terrakotte

003. Fußwaschung des Odysseus, Thessalisches Marmorrelief

003. Fußwaschung des Odysseus, Thessalisches Marmorrelief

004. Fußbad des Odysseus, Chiusinisches Vasenbild

004. Fußbad des Odysseus, Chiusinisches Vasenbild

005. Fußwaschung Christi, Miniatur in einem Salzburger Evangeliar

005. Fußwaschung Christi, Miniatur in einem Salzburger Evangeliar

006. Fußbad des Skiron, Vasenbild

006. Fußbad des Skiron, Vasenbild

007. Theseus erschlägt den Skiron mit dem Fußbadebecken, Vasenbild

007. Theseus erschlägt den Skiron mit dem Fußbadebecken, Vasenbild

008. Theseus stürzt den Skiron in die Tiefe, Vasenbild

008. Theseus stürzt den Skiron in die Tiefe, Vasenbild

009. Theseus schmettert den Skiron ins Meer, Vasenbild

009. Theseus schmettert den Skiron ins Meer, Vasenbild

010. Frauen bei der Toilette, Von der Phineus-Schale in Würzburg

010. Frauen bei der Toilette, Von der Phineus-Schale in Würzburg

012. Knabe beim Bade, Vasenbild (München)

012. Knabe beim Bade, Vasenbild (München)

013. Mägde am Waschtrog, Vase im Louvre

013. Mägde am Waschtrog, Vase im Louvre

014. Mädchen, nach dem Fußbade die Sandalen anlegend, Vasenbild (Berlin)

014. Mädchen, nach dem Fußbade die Sandalen anlegend, Vasenbild (Berlin)

015. Epheben im Baderaum der Palästra, Vasenbild im Brit. Museum

015. Epheben im Baderaum der Palästra, Vasenbild im Brit. Museum