Aus baltischer Vorzeit - Die Kolonisierung

Autor: Bienemann, Friedrich Gustav (1860-1915) Historiker, Erscheinungsjahr: 1870

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hansezeit, Hanse, Hansa, Balticum, Livland, Slawen, Mittelalter, Ritter
Dieselben Gründe, welche mich bewogen im vergangenem Winter zu einer größeren Versammlung von unserer heimatlichen Vergangenheit zu reden, haben auch zur Veröffentlichung der gehaltenen Vorträge geführt. In der Einleitung sind die erwähnten Motive bezeichnet.

Die ursprünglich gewählte Form für den Druck zu ändern, fand ich um so weniger Veranlassung, als sie am füglichsten die Zusammenfassung wie die Auswahl der Ereignisse gestattet und diejenige Betrachtungsweise am unmittelbarsten zum Ausdruck zu bringen geeignet ist, welche sich aus dem Inhalt unserer Geschichte, wie mir scheint, von selbst ergibt.

Wenn auch für einen weiteren Leserkreis berechnet, entbehren die Vorträge nicht wissenschaftlichen Gehaltes. Die mannichfachen Zitate aus den in den Noten angeführten Schriften sind nur in so weit entlehnt, als sie den Ergebnissen meiner eigenen Forschungen vollkommen entsprechen, und ich zog um so lieber die Worte Anderer heran, als dadurch dem Wunsche Vieler, durch fernere Lektüre sich über unsere Vergangenheit näher zu unterrichten, entgegengekommen sein dürfte. Nur in der Darstellung Plettenbergs bin, ich ganz meinem hochverehrten Freunde und Lehrer gefolgt, weil diese Epoche nie Gegenstand meiner Studien gewesen ist.

Bieten die Vorträge im ganzen dem Kenner unserer Geschichte wenig Neues, so wird doch der fünfte als eine Bereicherung auch dem Stoff nach anzusehen sein, da derselbe nach unveröffentlichten Akten des estländischen Ritterschaftsarchives gearbeitet ist.

Schließlich halte ich im Hinblick auf die seit dem Schluss meiner Vorträge am 28. Februar (12. März) erfolgten baltischen Publikationen es für eine Pflicht gegen mich selbst zu erklären, dass meine Arbeit seit dem genannten Tage keine anderen als rein stilistische Änderungen erfahren hat.
          Im August 1869
                              Der Verfasser


                              Inhaltsverzeichnis

          01. Die Kolonisierung
          02. Gestaltung und Wandlungen
          03. Der Zerfall
          04. Die Katastrophe
          05. Von baltischer Treue
          06. Von baltischem Recht


                              01. Die Kolonisierung

Hochgeehrte Versammlung! Auch dieser Winter vereint uns wieder in den Räumen, welche dem Austausch geistiger Interessen unserer Provinz und Stadt gewidmet sind, die wir außer Beruf und Pflicht zu unserer Erholung und Anregung pflegen.
Im Namen der Männer, die diese Stätte uns gegründet, heiße ich Sie willkommen, und herzlich willkommen, denn der Ernst der Zeit drängt die Mitleidenden näher zusammen und schlingt ein Band der Teilnahme und des Verständnisses auch um Fremdere. Äußere Not lastet auf dem Lande; böse Übel, die im Keime vielleicht noch heilbar gewesen, brechen auf; bittere Feindschaft verfolgt uns und tastet an unser Leben — und wir finden keine Hilfe, keine Abwehr, kein Recht. Solche Drangsalshitze mahnt zur Einkehr in sich selbst, den Einzelnen, wie Gemeinde und Volk; mahnt zur Prüfung der Vergangenheit, um Klarheit über die Gestaltung des Geschickes zu gewinnen; mahnt zur Selbsterkenntnis, um die eigene Verschuldung von dem Zwang der Umstände zu sondern, um den Wert der Existenz zu erfassen und nach dem Beispiel der Väter mit Gottes Beistand durch eigene Kraft sie zu retten. — Unser Dichterwort: Das Leben ist der Güter höchstes nicht, hat seine volle Wahrheit; aber gerade auf der Kulturstufe, auf welcher sie so recht erkannt wird, gewinnt das Leben erst ganze Bedeutung, das Dasein erst Wert und Zweck, freilich nicht jenes animalische, das der Mensch mit dem Tiere teilt, sondern das organisch gewordene, mit eigentümlichem Inhalt und eigenem Zweck begabte Leben. Diesem, der individuellen Existenzform, gilt der Kampf der Selbsterhaltung. Eine so erwachsene Existenzform aber in ihre Elemente zerlegen, Beschaffenheit und Vereinigung dieser darstellen, die durch den Zusammenschluss entstandenen Wandlungen ergründen, die Berechtigung ihrer Erscheinung prüfen, ist die Aufgabe der Historik, der Wissenschaft vom Gewordenen. In ihren Ergebnissen wird sie einem Volke, was das Gesetz der zehn Gebote nach altkirchlichem Ausdruck dem Christen ist: ein Spiegel, ein Riegel, ein Zügel.

Wollen Sie mir gestatten, in dieser schweren Durchgangsphase unseres Landes — helf’ Gott zu vollem Licht! — unseren Spiegel Ihnen aufzustellen? Wem Herz und Kopf auf rechtem Flecke steht, lernt dann schon Riegel und Zügel auf sich anwenden. Und die tun not, zumal uns hier im kleinsten, ärmsten, entlegensten Teile Alt-Livlands, das mit einem Namen die drei Provinzen umschloss, hier, wo wir, die dem Lande sein Gepräge aufgedrückt, am spärlichsten sitzen, mit den größten Opfern kämpfen uns selbst zu erhalten und daher am meisten Gefahr laufen, in Sorge für unsere leibliche Notdurft kleinmütig unsere idealen und wahrlich auch sehr realen Güter hinzuwerfen in die geöffneten Riesenarme, deren wuchtige Liebkosung uns bald erdrücken würde. Oder ist etwa hier der Zügel nicht oft locker gewesen und steht der Riegel nicht täglich offen?
Blicken Sie hin auf jene Büste dort, die wir ehrend in jeder Halle aufstellen sollten, die zu der Heimat Nutz und Frommen geweiht ist, auf die lüge Plettenbergs, des einzigen Mannes, der um Livlands willen seinen Platz in der Walhalla gefunden. Er hat die ihm gebotene Krone abgelehnt.
Und wird sein Herz von Ehrgeiz frei gewesen sein? sollte er nicht geglaubt haben, das Wohl des Landes als Alleinherr besser wahren zu können? Doch er erkannte die Geschichte unseres Landes und hat sein Lebensgesetz begriffen, wie kein Staatsmann vor ihm und nachher.

Und welches ist denn das Lebensgesetz dieses Landes, was ist der Charakter seiner Geschichte? Livland ist eine deutsche Kolonie, von vier Mächten umgeben: Dänemark, Russland, Schweden und Polen. Darin ist alles beschlossen. —

Deutsche kamen an diese Küsten zur Zeit, da ihre Heimat die Herrschaft der Welt beanspruchte; sie kamen vom Kampfe gegen Sarazenen und Slawen, die sie mit dem Schwert ausrotteten, zu heidnischen Barbaren. Sie unterjochten sie, sie setzten sich fest, sie wehrten die Feinde ab, Heiden und Christen. Die Einrichtungen des Mutterlandes pflanzten sie in die fremde, von jenem weit entfernte Erde. Daher kamen sie spärlicher, der Bürger, der Ritter, der Geistliche; die Züge der deutschen Ackerbauer, die das Land an der Oder und Weichsel erfüllten und die Eingeborenen aufsogen, reichten nicht bis an die Düna. So ohne verbindende Glieder standen sich Deutsche und Undeutsche, Herren und Knechte schroff gegenüber. Ohne ein Volk als Rückhalt, nur auf sich gestellt, in steter Wehr gegen grollende Feinde innen und außen, mussten die Deutschen des Landes den aristokratischen Grundzug gewinnen, der sie auszeichnet, mit allen Härten und Vorzügen. In häufiger Fehde stritten die Stände oft bis zum Tode erbittert gegen einander, aber immer versöhnten sie sich zur rechten Stunde, wenn der Feind ins Land drang, dem in die Barbarei hineingewachsenen Staate ein Ende zu bereiten. Eifersüchtig auf sein Recht, achtete ein Jeder das Recht des Anderen; ward es auch in der Niederlage gekränkt, ja vernichtet: es wurde doch wieder anerkannt. Die korporative Autonomie ist lebendig geblieben und hat alle Schläge bis auf heute überdauert, wenn auch der Scharten und Risse genug entstanden. Und dazu die Ohnmacht des deutschen Reiches, die die hiesigen Bischöfe zu einer Selbständigkeit gelangen lies, wie sie im Mutterland ohne Beispiel war. So stand der livländische Staatenbund fast souverän da, aber auch ohne Schutz, und bei dem geistlichen Charakter seiner Fürsten neigte er seinen Schwerpunkt nur zu oft nach Rom.

Dieser Verkehr ebnete der Reformation den Boden. Sie war das Erbe der „angestammten“ Periode; durch die livländische Verfassung wurde ihr der Sieg erleichtert, aber sie beschleunigte den inneren Zerfall. Inzwischen waren die umliegenden Mächte alle erwachsen; ihre gegenseitige Eifersucht hatte das Land geschont. Als Russland, zuletzt erstarkt, den Angriff wagte, ward Livland das Prellkissen‚ das die Stöße auffing, die die Nachbarn auf einander führten. Ein tragisches Geschick riss uns in die Weltkämpfe hinein; sie zermalmten uns nie, aber immer ließen sie uns den etwa gewonnenen Preis gar zu teuer erkaufen.

Die deutsche Kolonie hat sich auch nach drei ]ahrhunderten der Fremdherrschaft erhalten, treu den Reichen, denen sie verbunden, treu dem Volke, dem sie entstammt. Manche Seite des deutschen Charakters musste bei den Kolonisten schärfer hervortreten, manche zurückweichen, aber kein Grundzug ist uns verloren. Die Bewahrung des Ostseebeckens für die deutschen Interessen war die nationale Aufgabe, die Hereinziehung des weiten Hinterlandes in das Gebiet europäischer Kultur die welthistorische Aufgabe dieses Küstenlandes und seiner Bewohner. Darum bildet seine Geschichte einen Teil der Geschichte des deutschen Volks und reicht doch weit über die Bedeutung einer Provinzialhistorie hinaus.

Aber der Kenntnisnahme derselben stellen sich Schwierigkeiten entgegen, wie in keiner anderen deutschen Landschaft. Bei unserer geringen Zahl sind diejenigen, die hierin arbeiten wollen und können, dünn gesät. Bis auf die neuere Zeit sind der historischen Forschung meist nur die Mußestunden von Männern gewidmet worden, die von Liebe zur angestammten oder neugewonnenen Heimat getrieben, in achtungs- und dankenswertem Eifer ein ihnen fremdes Gebiet geistiger Tätigkeit beschritten. Unsere Hochschule hat, nicht immer durch eigene Schuld, in der historischen wie den Staatswissenschaften überhaupt, am längsten gesäumt, sich den Fortschritten, die sie in Deutschland genommen, anzuschließen. Das ist jetzt anders geworden. Doch noch immer tritt an den jungen baltischen Historiker, der durch das Examen den Freibrief zum Studium erhalten, die Frage heran: was nun? Die großartige, gemeinsame Arbeit der Geschichtsforscher Deutschlands, bei der, von bedeutenden Stiftungen unterstützt, eine jede geeignete Kraft verwendet werden kann, fehlt uns hier natürlich. Der Unvermögende ist an ein Amt gewiesen, das ihm nicht erlaubt, die Pflege der Wissenschaft zur Hauptsache zu machen. Und nur dann kann die Arbeit gedeihen. Denn das Studium der Geschichte unseres vielsprachigen und eigengestalteten Landes erfordert eine ungleich größere Summe sprachlicher und rechtshistorischer Kenntnisse, als irgend ein anderes; dazu eine Bekanntschaft mit der Geschichte der Nachbarstaaten, wie sie in Deutschland sich nur der Spezialist erwirbt. Was nichtsdestoweniger für die Aufhellung unserer Vergangenheit geschehen ist, wird nicht leicht eine andere Gruppe von 200.000 Menschen aufweisen. Der unermüdlichen Arbeitskraft einzelner Männer, dem Interesse des Publikums, der Opferwilligkeit unserer Ritterschaften, vor allen der Liv- und Estlands, in jüngster Zeit auch des Rats der Städte Riga und Reval, ist es gelungen eine Fülle von Quellen zu Tage zu fördern und allgemein zugänglich zu machen.

Doch sind wir damit vom Ziel, eine den Forderungen der Wissenschaft entsprechende Darstellung der Gesamtgeschichte unserer Provinzen in künstlerisch schöner Form zu liefern, noch weit entfernt. Noch liegen ganze Perioden in unziemlichem Dunkel, aus dem nur wenige Tatsachen hervorschimmern, deren Verknüpfung undeutlich ist. Die Beziehungen zum deutschen Reich und zur römischen Curie, die Verknüpfung Livlands mit den Nachbarn, die späteren fast unausgesetzten Kriegsstürme und die Gewaltgriffe der Eroberer haben es mit sich gebracht, dass eine beträchtliche Zahl wichtiger Urkunden sich in den Archiven fremder Städte zum Teil schwer zugänglich, wie im Vatican, befindet, während im Lande selbst vieles zu Grunde gegangen ist. Dazu haben unsere Vorfahren dieselbe Scheu vor der Feder gehabt, die uns im allgemeinen noch heute eignet. Während des Mittelalters hat, wie es doch in anderen Städten so häufig geschehen, kein Rigaer Senator, kein Revaler Schiffer am Feierabend sein Leben für die Enkel erzählt, haben die Klöster unseres Landes keinen schreibseligen Mönch in ihren Zellen gesehen. Der Chronik Heinrichs von Lettland und der Reimchronik, die den Anfang der livländischen Dinge berichten, Meisterwerken in ihrer Art, folgen nur kurze Verzeichnisse der Begebenheiten, wie sie am Hofe des Ordensmeisters, des Erzbischofs zusammengestellt wurden. Nur das dritte Viertel des vierzehnten Jahrhunderts ist uns vom Ordenscaplan Hermann von Wartberge eingehender geschildert, und erst im sechzehnten setzt sich darin neben Anderen auch unser Rüssow nieder, die großen Ereignisse seines Lebens, wie die Sitten der Zeit, was er gehört und gesehen, zu Papier zu bringen. Eben damals führen auch rigasche Bürger ihre Tagebücher, die uns nur den späten Beginn und den frühen Schluss bedauern lassen. So fehlt unserem Mittelalter das bunte Gewand, das die Nachbargeschichte des an Chroniken reichen Preußen trägt; so verblassen die Gestalten unserer Vorzeit.

Anders steht es um die letzten dreihundert Jahre. Da liegt das Material zum großen Teil wohlaufgeschichtet bei uns im Lande und harrt nur der Behandlung, um lohnende Ausbeute zu gewähren; praktischere Bedeutung gewinnt die Geschichte; viele der Fragen, die unsere Ahnen beschäftigt, sind auch noch heute an uns gerichtet; die stillen geistigen Kämpfe, die sie für ihr Dasein geführt, dauern noch über uns hinaus.

Der Abfassung eines einigermaßen erschöpfenden Geschichtswerkes müssten noch viele Monographien vorausgehen. Wir besitzen deren tüchtige, aber wenige. Gleichwohl ist der allgemeine Ruf nach einer Darstellung der Landesgeschichte ein berechtigter. Dem Bedürfnis in Haus und Schule wäre vorläufig entsprochen durch einen Grundriss, der in verständlicher Sprache die treibenden Momente unserer Geschichte unter Gesichtspunkte stellte, die es dem Leser zur Gewissheit brächten, dass er ein welthistorisches Recht an sein Land habe, dem die Pflicht entspräche, mit der selbstlosen Hingabe an dasselbe dessen Rettung zu erkaufen.

Wäre dieses Bedürfnis gestillt, dürfte ich vielleicht heute schweigen. So aber schenken Sie gütigst Ihre Nachsicht dem Versuch Sie in die Vergangenheit zu führen. Die Geschichte unseres dreieinigen Landes ist untrennbar; wohl aber werde ich, wo es nur tunlich, die Entwicklung der ganzen Heimat von estländischem Boden aus überschauen und die besondere Entfaltung dieses Nordstriches eingehender verfolgen. Meine Darstellung soll in sechs Abschnitte sich zerlegen, von denen vier die Zeit der livländischen Konföderation schildern werden, in ihrer Begründung, in ihrem Charakter, in ihrem Zerfall und Sturz. Die beiden letzten fassen Est- und Livland während ihrer Provinzialexistenz ins Auge.

Die Hohenstaufenzeit steht an der Wiege unserer Geschicke, jene Zeit voll jugendlichen Strebens, von dem das ganze Volk erfüllt war, gleich seinen Herrschern; jene Zeit, die die Blüten unserer älteren Dichtung erwachsen sah, die in Baukunst und Bildnerei neue Bahnen einschlug, der kein Ziel zu entfernt, keine Kluft zu gähnend erschien. Was glaubte man nicht alles erreichbar! Die Gegensätze vermischten sich schier in naher Berührung. Sorglos wandelte man zwischen Leben und Tod, gleich bereit in glücklichem Leichtsinn mit Himmel und Hölle sich abzufinden. Der Besitz des heiligen Grabes wie die Herrschaft über Italien, die Hoheit über alle Länder Europas und Frieden mit der Kirche, festes kaiserliches Regiment und Freiheit der Fürsten — alles wurde gewollt, für alles gestritten, und mit ungebrochenem Mute ward nach jeder Niederlage der Kampf erneut. Welche Bewegung ging durch die deutschen Gauen! Wahrlich, die schönen, hoffnungsreichen, oft auch tollen Jünglingsjahre eines großen Volkes!

Aber sind die Staufen auch echte Kinder ihrer Zeit — keinem Menschen ist es gegeben, den Totalausdruck seiner Umgebung darzustellen. Überraschen sie uns durch ihren scharfen, klaren Blick für Menschen und Dinge in kleineren Verhältnissen — der praktische Geist, der neuen schöpferischen Ideen Bahn bricht oder die spätere Bedeutung auch schon vorhandener Strömungen ahnt und diese fördert, ging ihnen ab. Während sie, echt schwäbisch, durch ihre „ideologisch-romantische Ader“ *) irre geleitet von der Wirklichkeit ab in ein nebelhaftes Reich phantastischer Luftgebilde geführt wurden, um dann mit den rauen Tatsachen oft recht dürftig sich abzufinden; während sie ewig in der Jugend verharren und darum so poetisch warm uns anmuten: folgt nur ein Teil des Volkes ihren Bahnen, der andere strömt in nicht minder frischem Drange nach erreichbaren Zielen und vollführt Taten, die ihm eine große Zukunft eröffnen. Das Erblühen der Städte, der nordische Handel, die Kolonisierung der Slawenländer hat bei den Kaisern nur eine höchst zweideutige, oder gar keine Unterstützung, wenn nicht feindliches Entgegenwirken gefunden.

*) cf. Otto Fock, Rügensch-Pommersche Geschichten, Leipzig I 862. II. 28. flg

Noch ehe eine deutsche Stadt am baltischen Ufer erbaut war, durchfurchten Schiffe die Ostsee, den Warentausch zu vermitteln oder auch ohne Entgelt die begegnenden Fahrzeuge mit allem Inhalt zu nehmen. Normannen trafen mit Russen von der Newa her, mit Wenden von den Küsten Pommerns und Mecklenburgs an den alten Lagerplätzen zu Schleswig, zu Sigtuna am Mälarsee, zu Wollin an der Odermündung, dem sagenhaften, meerversunkenen Vineta, zusammen. Als willkommene Station bot die Insel Gotland sich dar, auf welcher, zwischen dem Glint und dem Meere sich hinstreckend, das gastliche Wisby jenen Städten allmählich zur gefährlichen Rivalin erwuchs. Auch deutsche Schiffer legten hier an. Das Erzbistum Bremen war die Mutterkirche der nordischen Sprengel und übte bis zum Ende des elften Jahrhunderts die geistliche Herrschaft über sie aus. Und als diese Beziehungen aufhörten, gewann nach vier Jahrzehnten der junge Heinrich der Löwe das Herzogtum Sachsen, und die Bestrebungen der großen Kaiser, die diesem Lande entsprossen, wieder aufnehmend, führte er die Deutschen mit Schwert, Pflug und Kreuz gegen die umwohnenden Slawen. Da mehrten sich die deutschen Handelsflotten auf der Ostsee und 1158 erhob sich auf der Stätte eines slawischen Hafenortes die deutsche Stadt Lübeck, mit lockenden Freiheiten begabt, dass die Trave sich mit Schiffen füllte und lübische Bürger sich zeigten, wo es Gewinn galt, vor allem in Wisby, das schon eine deutsche Gemeine unter gesichertem Rechtsschutz aufwies. Hierher brachten die Kauffahrer des mächtigen Nowgorod über den Ladoga durch den finnischen Busen ihre Waren und tauschten sie an ihre westlichen Handelsfreunde aus. Erst 1159 segelten die Deutschen selbst, und zwar Bremer Kaufleute, ostwärts über Gotland hinaus, um mit dem Bezugsland direkt in Verkehr zu treten; ein Sturm brachte sie aus ihrer Bahn und verschlug sie in die Mündung der Düna.

Sie fanden ein heidnisches Volk, mit dem sich handeln lies, so dass das zufällig gewonnene Land bald wieder und immer häufiger besucht wurde. Doch war Livland seinen Nachbarn bekannt: Russen aus Polozk hatten das rechte Dünaufer zinsbar gemacht, auch vorübergehend sich am Embach niedergelassen; Litauer stürmten oft weithin durch das offene Land, dessen Bewohner nur unzureichenden Widerstand leisteten. Dieselben Völker, die wir heute als die Nationalen bezeichnen, bebauten damals das Land vom Narwastrom bis zur Heiligenaa, vom Peipus bis zum Ostseestrand, nur in mehr Stämme getrennt und in anderer Verteilung. Die Letten saßen nur im südöstlichen Teile Livlands, die ihnen verwandten Seien und Semgallen am linken Dünaufer bis zum Meer; die Esten hatten ihr jetziges Gebiet inne, nur an der pernauschen Bucht wohnten die Liven, die sich in breitem Saum fast um den ganzen rigaschen Meerbusen hinzogen und die Südgrenze Livlands einnahmen. Diese, wie die Kuren inmitten der kurischen Halbinsel, bildeten mit den Esten einen Zweig des finnischen Stammes. Erst die deutschen Männer haben Livland in das europäische Leben eingeführt.

Doch beeilten sie sich damit nicht; einstweilen setzten sie nur ihren vorteilhaften Handel mit den Eingeborenen fort, und zogen auch schon durch das Land zu den Russen nach Pleskau. Nach einigen zwanzig Jahren kam dann Meinhard, ein Augustiner aus Holstein, das Evangelium zu predigen. Mit dem ersten Kirchenbau war die erste Ansiedelung und Burg verbunden. Sie entstand zu Uexküll an der Düna, fünf Meilen oberhalb ihrer Mündung. Dem Erzbistum Bremen war die Gelegenheit zur Ausbreitung seines Einflusses willkommen. Livlands Apostel wurde auch sein erster Bischof und weidete in Mühen und Sorgen seine störrige Herde. Als der würdige Greis verschieden, sah sein Nachfolger Bertold nach üblem Empfang sich genötigt, mit gewaffneter Schar die abtrünnigen Liven beim Glauben zu erhalten. Der erste Kreuzzug, vom Papst ausdrücklich gepredigt, ward im Jahr 1198 hierher geführt. Die Christen gewannen zwar den Sieg durch den Tod des Bischofs, doch nach dem Abzug des Heeres war der Abfall der Neugetauften allgemein; alle Geistlichen wurden vertrieben, nur die deutschen Kaufleute blieben auf Uexküll zurück. Erst durch Bischof Albert, der, ein Domherr zu Bremen, in dieser Not sich selbst zum Hüter der jungen Pflanzung erbot und dreißig Jahre mit unendlicher Treue seines Amtes wartete, wurde die feste und dauernde Verbindung mit dem Westen des Erdteils geknüpft, welche unseren Strand aus der ungefügen Ländermasse im Osten des baltischen Meeres herausgezogen und ihm eine Kulturbasis gegeben hat, deren Wertschätzung aus all’ dem giftigen Hohn der über sie ausgeschüttet wird, hindurchblickt.

Schon als Jüngling durch Reife und Festigkeit ausgezeichnet, erkannte Albert mit staatsmännischer Energie, dass das Missionieren allein keine Früchte tragen werde. Der christlichen Predigt musste die Achtung vor dem deutschen Namen voran gehen, die nur durch gehörige Machtentwicklung gezeitigt werde. Diese zu schaffen, war er unermüdlich tätig, ehe er sein Bistum betrat. Den König Philipp, wie den gewaltigen Papst Innocenz III. wusste er für sein Interesse zu gewinnen. Der Norden Deutschlands wurde zum Kreuzzuge aufgeboten unter denselben Vergünstigungen, wie sie den Pilgern nach Rom, später gar, wie sie denen nach Jerusalem geboten wurden. Albert selbst sammelte auf Gotland unter der zusammenströmenden Kaufmannschaft 500 Streiter als Kern des Heeres. Den König von Dänemark machte er sich geneigt. Und nun im folgenden Frühling mit dem Beginn des Jahrhunderts zog er auf einer Flotte von 23 Schiffen an die Stätte seiner großartigen Wirksamkeit.

Der Sieg war sein, doch glühte es rings in den Landschaften der Liven von Hass und Rachegelüsten gegen die Überwinder. Da galt es rasch zu handeln, um das Gewonnene sicher zu stellen und zu erweitern. Die Pilger, die das Kreuz genommen, band ihr Gelübde nur auf ein Jahr; als dauernde Grundlage der christlichen Herrschaft waren nur feste Siedelungen zu betrachten. So wurde die Stelle einer künftigen Stadt vom Bischof erwählt und schon im nächsten Jahre 1201 mit dem Bau Rigas begonnen, deren Bürger dann anfangs spärlich aus den niedersächsischen Städten kamen. Ein Kloster des Zisterzienserordens ward auf dem rechten Mündungsufer der Düna begründet. Angesehene Männer zog Albert als erste Vassallen des Stifts heran, aber noch war wenig Land als Lohn zu vergeben. „Es musste ein Heer anderer Art begründet werden, dem der Kampf mit den Heiden Selbstzweck war, dessen Unterhalt die Mittel des jungen Bistums nicht wie die Einsetzung von Lehnsleuten beanspruchte.“ *) Die geistlichen Ritterorden der Zeit entsprachen am füglichsten dem Bedürfnis.

*) Dr. Hildebrand, die Chronik Heinrichs von Lettland. Berlin 1865. P. 57 flg. 79 flg. 97 flg.

Der Plan, einen solchen für Livland ins Leben zu rufen, mag in Theoderich, dem Abte des genannten Klosters, der schon Mitarbeiter Meinhards gewesen, rege geworden sein, als sich gerade die ersten Ritter im Lande fanden. Die Entstehung des Schwertbrüderordens lässt sich auf keinen ganz bestimmt zu fixierenden Akt zurückführen; seine Entwicklung ist in den nächsten Jahren eine sehr allmähliche gewesen. Die jährlich wiederkehrenden Pilgerzüge bleiben fürs erste die Hauptkraft der jungen Kirche. Denn „wenn Albert fast ein ums andere Jahr, sobald die Düna sich vom Wintereise löste, oder vor Beginn der rauben Herbstzeit hinüber nach Deutschland zog, um in allen Flecken, auf allen Straßen und in allen Stiftungen das Kreuz zu predigen und für seine Kirche zu begeistern und zu werben, dann verlies willig der Ritter die Stammburg seiner Väter, es trieb den Mönch hinaus aus der Einsamkeit der klösterlichen Zelle, den Handelsmann und Handwerker vom Frieden des heimatlichen Herdes. Alles scharrte sich begeisterungsvoll um das Banner der heiligen Jungfrau, der Patronin der livländischen Kirche. Dann ward es lebendig in den Häfen zu Lübeck, zu Gotland, zu Riga und auf den Wogen der Ostsee. Und sie zogen alle hinaus, jene Fürsten, Grafen und Edlen aus Sachsen, Westfalen und Friesland, die Meiendorf, Buxhöwden, Isenburg, die Plesse, die Lippe, die Tiesenhausen, die Hoënbach mit ihren Mannen und Reisigen und Gefolgschaften. Von den Hufen der Rosse und dem schweren Tritte der gepanzerten Ritter erdröhnten die baltischen Schneegefilde. Vor ihren Wurfmaschinen fielen die Waffenplätze und Verschanzungen der Liven. An den Ufern der Düna und in den Talgründen der Aa türmten sich rasch ihre Festen und Burgen. Unter der Axt des fleißigen Ansiedlers lichteten sich die dichten Waldungen, und die neugebahnten Straßen belebte der Handelsmann mit seinen Warenzügen. In den Gauen der Liven und den heiligen Hainen der Letten erhoben sich die Kapellen der christlichen Priester. Und im Jahre 1206, sagt der Chronist Heinrich, war ganz Livland getauft, d. h. das Land der Liven, und zwei Jahre später hatte auch schon die Mehrzahl der Letten sich der neuen Lehre zugewandt“ *) und verharrte im Gehorsam des Glaubens.

*) Kurd von Schlözer, Livland. Berlin 1850. P. 69 flg.

Im Jahre 1208 eröffnete sich den Deutschen in der Unterwerfung des Estenvolkes ein neues Feld kriegerischer Tätigkeit, an der der Orden im Bunde mit den getauften Letten sich vor Allen beteiligte. Mit divinatorischem Blick hatte er das Gebiet ersehen, das ihm späterhin Stütze und Schwerpunkt seiner Macht bis zum eigenen Untergang bildete. Um diese Zeit gewann er bedeutenden Zuwachs an Mitgliedern und auf seine Forderung auch bestimmte Rechte am Lande, das er miterkämpft hatte. Bischof Albert, dem König Philipp Livland übertragen und die erste Reichshilfe in Aussicht gestellt, welche so wenig wie die zuletzt (1559) verheißene, je geleistet worden, gab dem Orden ein Drittel des Landes der Liven und Letten als Lehen unter seiner, des Bischofs, Oberhoheit. Dabei wurden die Ritter an die Regel der Templer gebunden und erhielten zum Unterschiede von jenen auf weißem Mantel zum roten Kreuz noch das blut-farbene Schwert-Zeichen. Doch im politischen Leben der Kolonie wollte das Schwert nicht so unter dem Kreuz stehen, wie die symbolische Stellung auf dem Mantel es forderte.

Frühzeitig regte sich im Orden, den der Bischof sich zum Werkzeug geschaffen, ein Unabhängigkeitsstreben, das ihn die benachbarten estnischen Landschaften zu erobern trieb, die heutigen Kreise Fellin und Dorpat, über welche Albert nach päpstlicher Verordnung keine Machtbefugnis haben sollte. Denn den hierarchischen Ideen eines Innocenz entsprach die Ausdehnung der Herrschaft des riga’schen Bistums keineswegs. Wie die Könige Europas, gedachte er auch die Bischöfe der Kirche an seinen Willen zu ketten. Wie er die Bremer Metropole um die Früchte ihrer Mission brachte, indem er den livländischen Bischof ihrer Gerichtsbarkeit entzog und unter seine direkte Obhut stellte, durchkreuzte er auch die Absichten dieses durch den Plan, in den von dem Orden zu gewinnenden Gebieten neue, von jenem unabhängige Bistümer zu gründen, —— in seinen Augen ein entschiedener Vorteil, wenn auch nicht für Albert, so doch für die Ausbreitung des Christentums und der gesamten Kirche. Aber da zeigte es sich, auf wie unsicherem Grunde der Anspruch der römischen Curie ruhte, ihre zentralistischen Tendenzen auch in der Verwaltung durchzuführen. Es fehlte ihr durchaus an der genauen und ungetrübten Kenntnis der livländischen Verhältnisse, und. so gelang es Bischof Albert bei persönlicher Anwesenheit in Rom zum großen Konzil des Jahres 1215 eine im ganzen ihn befriedigendere Verständigung mit dem Papst herbeizuführen, der eine gleiche mit dem Orden folgte.

Zu diesem Sorgen der inneren Politik — auch ein Aufstand der Liven des Ordensgebietes wegen zu hoher Belastung gehört da hinein — gesellte sich die Bedrängung durch die Nachbarn. Wenn Ströme und Moräste vom Eise starrten, brachen die wilden Reiterschwärme der Litauer nach gewohnter Weise aus ihren Wäldern hervor, die Dörfer der Liven zu plündern und zu verwüsten. Beim Anblick der glänzenden deutschen Waffen flohen sie wohl, um vielleicht schon im nächsten Winter wiederzukehren.*) Gefährlicher als diese Räuberschaaren waren die russischen Fürsten von Polozk, von Gerzike, vermutlich bei dem heutigen Stockmannshof an der livländisch-witepskischen Grenze, und von Kokenhusen, dem am meisten nach Westen vorgeschobenen Posten der Russen.

*) Kurd von Schlözer, I. c.

Die christliche Predigt Meinhards hatten sie auf dessen Anfrage ruhig gewährt; die staatengründende Tatkraft Alberts, der sie zu Anfang nicht beachtete, entging ihnen nicht. Ihre feindlichen Angriffe wurden abgeschlagen, freundschaftliche Beziehungen angeknüpft, aber durch die Arglist der Russen gestört, bis 1208 Kokenhusen genommen und in eine deutsche Burg verwandelt wurde, 1209 der Fürst von Gerzike den rigaschen Bischof als seinen Lehnsherrn erkannte, und drei Jahre später ein endgültiger Vertrag die Liven an der Düna von der Zinspflicht gegen den Herrscher von Polozk befreite, so dass nun von dieser Seite der Friede gewahrt blieb.
Um dieselbe Zeit hatte der vierjährige Kampf mit den Esten ein vorläufiges Ende gefunden. Durch Hunger und Seuchen, durch die Verwüstung ihres Landes mürbe gemacht, gingen alle Teile einen Stillstand auf drei Jahre ein, wobei das Gebiet im westen des Wirzjärw der deutschen Herrschaft zugesprochen wurde. Auf dem letzten Feldzuge war ein bedeutendes christliches Heer von 8.000 Mann, zur Hälfte wie gewöhnlich aus getauften Liven und Letten bestehend, von der dörptischen Gegend aus in Jerven eingedrungen, hatte sich über die ganze Landschaft raubend und verwüstend ergossen und mit reicher Beute heimgewendet — der erste Einfall in Estland, dessen Grenze früher nur durch eine Streifschaar berührt war. —

Das Vordringen der Deutschen nach Estland muss die Eifersucht des Großfürsten von Nowgorod in besonderer Weise erregt haben. Bekanntlich hatte schon Jaroslaw der Weise, der Sohn Wladimirs des Heiligen, um das Jahr 1030 eine Niederlassung an der Stätte Dorpats, Jurjew, gegründet; auch war fast ein Jahrhundert später, 1116, Odenpä zeitweilig von den Russen besetzt, aber beides doch so früh aufgegeben, dass die Esten der dörptischen Landschaft keine Erinnerung an irgend eine Zinspflicht oder Zugehörigkeit zu ihnen bewahrt. Der mächtige Handelsstaat am Wolchowfluss sah wohl auch in dem Auftreten der Deutschen weniger eine Kränkung seiner etwaigen Anrechte, als eine gefährliche Konkurrenz in einem bisher ihm allein zugänglich gewesenen Bezugslande. Der wollte man begegnen. So hatte Pleskau, das unter Nowgorods Hoheit stand, das deutsche Missionswerk unter den Liven bei den Letten an der russischen Grenze nachgeahmt. Seit alter Zeit waren sie ihren Nachbarn zinsbar, aber nie von diesem zur Annahme ihres Glaubens aufgefordert. jetzt plötzlich erschien, etwa im Marienburgschen, eine fliegende Kirche! Bald folgten größere Anstrengungen. — Schon nach dem ersten Einfall der Deutschen in das Embachgebiet rückte 1210 Großfürst Mstislaw vor die Estenburg Odenpä, wohl um sie für den Frieden zu strafen, den sie auf kurze Zeit mit den Deutschen geschlossen. Er begnügte sich übrigens mit einer Brandschatzung und der Taufe Etlicher unter ihnen, versprach auch Priester zu schicken, die das Bad der Wiedergeburt durch Unterweisung vollenden sollten. Doch hat er das immer verabsäumt; der Reichtum an Lehrkräften wird wohl auch damals nicht so groß gewesen sein. Wieder auf die Kunde von der Verheerung Jervens zog er mit 15.000 hin, die Deutschen zu vertreiben; aber als er sie nicht mehr fand, folgte er ihnen nicht etwa, sondern rückte weiter nach Harrien, belagerte die Bauernfeste Warbola an der Grenze der Wiek, und nach empfangenem Lösegeld kehrte er heim. Der Zweck dieser scheinbar nutzlosen Feldzüge ist offenbar. Sie sollten den Esten in Erinnerung bringen, wer ihre wahren Freunde seien, und dass diese auch die Macht hätten, sie zu schützen.

Das dritte Jahr des Waffenstillstands ging zum Schluss, und da die Esten nicht die Erneuerung des Friedens gesucht, denselben vielmehr gestört hatten, beschloss Bischof Albert eine große Expedition gegen sie. Noch im Februar 1215 zogen die Christen bei 6.000 Mann in die Wiek und das Fellinsche, wo es unruhig geworden war, und kehrten mit großer Beute an Vieh nach Riga heim. Die Betroffenen, mit den Ugauniern verbunden — so hießen die Bewohner des dörptischen Gebiets; der Name hat sich in der lettischen Bezeichnung für die Esten, Iggauni, erhalten — die Betroffenen nahmen Rache an den lettischen Grenzlandschaften. Aber schrecklich ward den Ugauniern heimgezahlt. Der ganze Hass der Letten, noch heute so lebhaft, brach los. Endlich konnte dies schwächere Volk die vielfach von dem Nachbar erlittene Unbill vergelten. Auf neun Heereszügen in einem Sommer verwüsteten sie das unglückliche Land, griffen die Flüchtlinge auf, die aus den Wäldern zu den Äckern oder zu den Dörfern nach Speisevorrat kamen, und haben die einen mit Feuer gebrannt, andere mit den Schwertern erwürgt und ihnen unterschiedliche Qualen angetan, bis sie alle ihre Gelder ihnen entdeckten, bis sie zu allen Verstecken ihrer Gehölze sie hinführten und die Weiber und Kinder in ihre Hände überlieferten. Aber auch so nicht einmal ward das Gemüt der Letten beschwichtigt; nein, sie haben nach Wegnahme des Geldes und aller Habe, der Weiber und Kinder, ihnen am Ende den Kopf, so allein noch übrig war, genommen. *) Und alle, die heimzogen, beorderten andere sofort wieder hinzugehen und Gleiches zu vollbringen. Diejenigen, die lebendig geblieben waren in Ugaunien, schickten Botschafter nach Riga und baten, sie zu taufen, um den wahren Frieden und der Deutschen und Letten brüderliche Liebe zu erhalten. Da freuten sich die Deutschen und schlossen mit ihnen den Frieden ab. Und die Fellinschen folgten dem Beispiel ihrer Verbündeten. Schon übers Jahr mussten sie das deutsche Heer unter Volquins, des Meisters der Schwertbrüder, Führung nach Harrien geleiten, dessen Bewohner für den Raubzug gezüchtigt werden sollten, den sie, in der Tat von den Deutschen noch nie belästigt, 1211 gegen Riga unternommen hatten. Das Heer drang bis in die Dörfer der Reveler, die den Küstenstrich unseres harrischen Kreises bewohnten. Auf seinem Rückzuge folgten die Esten wohl und wollten es hinterwärts angreifen, aber das Los ihrer Götter fiel auf die ungünstige (die linke) Seite.

*) Heinrichs von Lettland Livländische Chronik, übersetzt und erläutert von Ed. Pabst, Reval 1867. p. 203. 221.

Inzwischen war in Russland verlautet, dass die Ugaunier nicht auf die verheißenen Priester gewartet, sondern die Taufe der Lateiner angenommen hatten. Dafür züchtigten die Pleskauer sie durch einen Einfall. Doch kamen die Deutschen den Neubekehrten eilig zu Hilfe, und da sie das Land schon vom Feinde geräumt fanden, befestigten sie Odenpä auf das stärkste und begaben sich mit ihren Schützlingen ins Pleskausche, wo sie zur Zeit des Jordansfestes eintrafen; „da dann“ — nach den Worten des Chronisten — „die Russen mit ihren Gastmählern und Trinkgelagen sich meistens pflegen zu beschäftigen, so verteilten sie ihr Heer in alle Weiler und Wege und töteten viel Volks, trieben Pferde und Vieh in Menge davon und machten viele Beute.“ Und nun einmal im Zuge, fügten sie Jerven, als erste Landschaft Estlands, ihren Eroberungen bei.

Als die livländischen Schaaren sich wieder aufgelöst, rotteten die Nowgoroder in der Fastenzeit 1217 ein großes Heer zusammen. „Und sie schickten“, — sagt weiter der Chronist — „sie schickten Botschafter durch das gesamte Estland, dass sie kämen zur Belagerung der Deutschen und Ugaunier in Odenpä. Und kamen nicht allein die Oeseler und die Harrier, sondern auch die Fellinschen, so schon längst getauft waren, in der Hoffnung, das Joch der Deutschen mit der Taufe derselben solchergestalt wieder von sich wegzuschaffen;“ *) sie lagen mit ihren Freunden vereint drei Wochen vor der Feste. Zwar vermochten sie nicht sie zu erstürmen, doch der Mangel an Lebensmitteln zwang endlich die Besatzung zur Übergabe. Bei dem ausbedungenen freien Abzuge wurde Dietrich, des Bischofs Bruder, widerrechtlich in Gefangenschaft geführt. Zwar „schickte der vorbenannte hochwürdige Bischof seine Botschafter sowohl nach Nowgorod als nach Fellin, zur Bestätigung des in Odenpä gemachten Friedens, flehte zu ihnen auch um seinen Bruder. Da sie jedoch Menschen voller Hoffahrt und Aufgeblasenheit sind, wie auch in ihrem Stolze sehr anmaßend, so kümmerten sie sich weder um die Bitten des Bischofs, noch um den Frieden mit den Deutschen, sondern verschwuren sich mit den Esten und sannen auf Anschläge, welchergestalt sie die Deutschen unterdrücken und die livländische Kirche verstören möchten.“ Der Bischof suchte Beistand im Mutterlande und fand den mächtigen Grafen Albert von Lauenburg, den Neffen und ersten Vassallen des Dänenkönigs Waldemar zu einem Kreuzzug gerüstet. Seiner Ankunft im Sommer 1217 folgten glänzende Unternehmungen.

*) Heinrich von Lettland, Livl. Chronik p. 223. 226.

In Folge der versprochenen russischen Hilfe hatten sich gewaltige Schaaren aus den verschiedensten Teilen des Estenlandes an der Pala zusammengezogen. Man kam der gefährlichen Vereinigung zuvor, ein schnell aufgebrachtes Heer überraschte am Matthäustage (21. Sept.) den Feind und schlug ihn aufs Haupt. Aufs neue unterwarfen sich die Felliner. Ein Zug, der eigentlich Oesel galt, doch wegen widrigen Wetters gegen die Wiek gerichtet ward, vermochte diese zu gleichem Entschluss. Auch Gesandte der Jervier erschienen, die sich der christlichen Kirche und ihren Leistungen zuzuwenden gelobten.

Der nächste Spätsommer brachte die lange von Osten drohende Gefahr, aber auch ihre siegreiche Abwehr: wenige Deutsche leisteten da dem übermächtigen Feinde ruhmwürdigen Widerstand, und als sich dieser plündernd und mordend über ganz Liv- und Lettland ausbreitete, brach sich seine Kraft an der kleinen Feste Arrasch. Unverrichteter Sache zogen die Russen ab, nachdem man ihren Frieden verschmäht.

Manches schien ein gutes Ende zu verkünden — ein Rachezug war wieder nach Osten, eine glückliche Kriegsfahrt gegen die noch ungebrochene Kraft der Reveler gerichtet worden —, da traten Ereignisse ein, die in ihren Folgen gefährlicher waren, als alle bisherigen Hemmnisse, Ereignisse, durch welche die Deutschen auf lange Zeit großen, blutig errungenen Gewinnes beraubt, Zwietracht unter ihnen erregt, die eigene Freiheit gefährdet wurde. *)

Denn Bischof Albert hatte die Siege über die Russen nicht mehr in Livland geschaut. In nagender Sorge über die unerschöpflichen Hilfsmittel dieses Feindes, dem er auf die Länge nicht Stand halten zu können meinte, hatte er den Grafen von Lauenburg um Johannis 1218 nach Schleswig an den Hof des dänischen Herrschers begleitet, diesen zur Hilfe aufzufordern.

Waldemar II. nahm im Norden Europas eine gewaltige Stellung ein. Seinem Zepter gehorchten die Länder um Seeland in weitem Kranz. Mehrfach hatten sich schon die Blicke der dänischen Staatslenker gen Osten gewandt. Bereits vor zwölf Jahren war ein Zug nach Oesel, dem Seeräubernest, unternommen, doch ohne Erfolg. Nähere Kämpfe hatten dann von weiteren Plänen absehen lassen. Jetzt hatte Waldemar Weit in das deutsche Reich hineingegriffen; wohl mochte er scheel sehen zu den deutschen Erwerbungen an den Meeresküsten, die er, soweit Deutsche sich regten, beherrschte. Jener Graf Albert hat gewiss auf seiner Livlandsfahrt das Terrain in seines Königs Interesse erkundet. Waldemar willigte in des bekümmerten Bischofs Bitte, aber um hohen Entgelt. Das Recht auf das noch nicht eroberte Estland hat dieser ihm abtreten müssen. Keineswegs hat der Gründer des livländischen Staats die Wolken übersehen, die damit für seine Schöpfung heraufzogen. Doch die nächste Gefahr drohte noch nicht der deutschen Herrschaft, sondern der durch sie nicht genug geschirmten Kirche. Sie zu beschwören, entsagte er seinen stolzen Plänen. — Er hatte sich übereilt. Die Siegeskunde kam vom Dünastrand. Durch eigene Kraft hatte die Pflanzung sich bewahrt. Den schlimmsten Feind hatte er nun selbst herbeigezogen. Um doch ein Gewicht den mächtigen Rüstungen des Königs gegenüber zu finden, gewann er den Herzog von Sachsen und andere Herren zur Begleitung nach Livland, mit denen er, ohne nach Estland zu schauen, zum erstenmal nach Semgallen vordrang.

Zur selben Zeit, im Sommer 1219, landete Waldemar mit einem großen Heere von Dänen, Deutschen und Slawen in unserer Bucht, an deren Ufer sich auf dem hohen Kalkfels die Burg der Reveler, Lindanissa, erhob. Sie ward genommen und zerstört und eine neue Feste wurde erbaut, welche wohl nur aus einer Mauer bestand, die zum Schutz der schnell errichteten Häuser die Bergfläche umzog. Bald trafen die Ältesten der benachbarten Stämme ein, huldigten dem König und ließen sich taufen. Doch ihr Volk weilte in der Nähe. Nach drei Tagen kehrten sie mit ihm gegen Abend zurück. An fünf Stellen brachen sie unversehens über die in der Niederung lagernden Dänen herein. Diese entflohen beim plötzlichen Angriff. Witzlav aber, der junge Fürst von Rügen, Vasall des Königs, stand mit seinen Wenden auf der Stätte der heutigen Unterstadt, wo er dem schützenden Berge zunächst vor der Überraschung sicher gewesen. Er setzte sich den Angreifern entgegen, schlug sie in die Flucht und brachte die Dänen zum Halt. Rasch sammelte sich das Heer, stürzte mit neuem Mut auf die Esten und trieb sie in die Ferne. Nach Vollendung der Feste zog der König heim. Der Primas von Dänemark, Geistliche und Krieger blieben zurück. Aber sie verhielten sich äußerst ruhig, die Ausbreitung der dänischen Herrschaft ging außerordentlich langsam vor sich. Kein Widerspruch wurde gegen eine Heerfahrt des Ordens nach Wirland und Harrien erhoben. Nur als die Ritter von den bezwungenen Esten sich Geiseln stellen ließen, erhob der Erzbischof Andreas den Anspruch sie zu bewahren; denn ganz Estland gehöre dem Könige. Der Meister widersprach der Behauptung, gab aber die Geiseln zurück.

Albert hatte anfangs eine zuwartende Stellung eingenommen; doch als die Waffen der Schwertbrüder sich siegreich zeigten, sandte auch er seine Mannschaft zur Teilnahme am Kampfe. Dem Sieg folgte die Taufe. Die einmal gemachte Eroberung mochte er trotz des geleisteten Verzichtes zu behaupten hoffen. Da aber traten die Dänen in den Weg. Auch sie sandten Priester den Deutschen entgegen in das von diesen überwundene Land. Sie errichteten Kreuze in allen Dörfern, sandten Weihwasser umher, ließen die Bauern ihre Weiber und Kinder selbst besprengen und suchten auf diese Art den rigischen Priestern zuvor zukommen und die Ernte für sich vorweg zu nehmen.

„Schlau genug hatten die Dänen bisher mit ihrem Rechte zurückgehalten, dem Vorrücken der Livländer ruhig zugeschaut; jetzt aber, da die Landschaften unterworfen waren, traten sie mit ihren Ansprüchen hervor, um ohne einen Blutstropfen vergossen zu haben sich in ihren Besitz zu setzen.“ *) Der dänische Primas besandte den rigaschen Bischof: er solle nicht Priester in die Winkel Estlands zu predigen schicken; doch ward ihm die Antwort: der Weinberg der estnischen Kirche sei von den Rigischen schon längst gepflanzt; die Priester seien nicht in den Winkeln Estlands, sondern mitten in Jerven, in Wirland und bis vor das Angesicht des Erzbischofs selbst erschienen.

*) Hildebrand, I. c. p. 112.

Der Gegensatz gewann immer größere Maße. Schon bei der ersten Bezwingung der Wirzjärwlande hatte Albert einen Bischof für Estland ernannt, jenen Theoderich, den Abt von Dünamünde, der wegen des unruhigen Zustandes des Landes nie in den Besitz des Bistums gelangt war. In der Hoffnung, durch Waldemar den Lohn seiner jahrelangen Missionsarbeit zu erhalten, hatte er sich ihm angeschlossen und war in der Schlacht am Domberg gefallen. Zwei Nachfolger traten für ihn ein. Der Dänenkönig ernannte seinen Kaplan und Albert seinen Bruder Hermann, der in Deutschland war. Die Doppelwahl schloss keinen Widerspruch in sich. Estland, früher ein einheitlicher Begriff, zerfiel nach dem Sinne Alberts seit dem Vertrag zu Schleswig in den Teil, der wenn auch vorübergehend die deutsche Herrschaft anerkannt hatte und in das damals noch unbezwungene Gebiet. Doch Waldemar, durch das Vorgehen der rigischen Priester gereizt, verwarf Hermann und erhob Anspruch auf alles estnische Land. Und gar gewaltige Mittel wusste er dafür in Bewegung zu setzen. Herr der ganzen deutschen Ostseeküste sperrte er Lübecks Hafen für die Livlandsfahrer. Die noch immer so dringliche Hilfe der Pilgerscharen blieb aus. Die junge Kirche kam in Not. Albert eilte nach Rom vom Papst Beistand zu erlangen, dänische Gesandte arbeiteten ihm dort entgegen; er suchte bei Kaiser Friedrich II. Rat und Trost, er fand ihn nicht! Ja, er konnte nicht einmal nach seinem Wirkungskreise gelangen, da Lübeck ihm verschlossen war. Und daheim hatte der Orden Verrat geübt. Er erkannte das Recht der Dänen auf das gesamte Estland an und nahm dafür die Gebiete Fellin und Dorpat, die er immer im Auge gehabt, von ihnen zu Lehen, ohne des schweren Unrechts zu achten, das er dadurch den Bischöfen zufügte. —

So war der edle Albert von allen Seiten umgarnt. Kein Retter wollte nahen ihn zu lösen. Da musste er den schwersten, demütigendsten Schritt tun: freiwillig begab er sich zu Waldemar und trug ihm nicht nur Estland, auch Livland gegen die Wiedereröffnung des Verkehrs an. Mühelos sahen sich die Dänen durch jenen einen Zug nach Reval und durch ihre listige Politik als Herren des ganzen Landes.

Aber das schafft Erhebung und Trost bei der Betrachtung des Weltlaufs: die kleinlichen Motive wirken wohl hemmend und fördernd bei der Entwicklung mit, doch nur die großen Strömungen des Volksgeistes geben die Entscheidung. —

„Ein starker, wahrhaft nationaler Widerstand erhob sich sogleich gegen die dänische Anmaßung. Die gesamte Bevölkerung erklärte zu Ehren Christi und der Jungfrau, nicht für den Dänenkönig gekämpft zu haben, lieber das Land zu verlassen als jenem zu dienen.

Erzbischof Andreas, der hiervon vernommen hatte und vor allem durch eine schwere Belagerung, die er von den Oeselern in Reval erlitten, zur Einsicht gelangt war, wie im Gegensatz zum Deutschtum seine Stellung im Lande unhaltbar sei, zeigte sich zur Nachgiebigkeit bereit. Bischof und Ordensmeister begaben sich zu ihm. Gegen Abschluss einer allgemeinen Bundesgenossenschaft zwischen Deutschen und Dänen versprach hier der Prälat seinen ganzen Einfluss für die Wahrung livländischer Freiheit aufzubieten“ *) Nach ihrer Rückkehr kam ein Ritter Gottschalk aus Dänemark nach Riga, um die Vogtei im Namen des Königs einzunehmen. „Und sprachen Alle wider ihn, so da waren imgesamten Livland, sowohl die Liven und Letten, als auch die Deutschen, dermaßen, dass sogar die Kaufleute ihm einen Lotsen für sein Schiff, sowohl da er von Gotland nach Livland kam, als auch da er heimkehrte, verweigerten. Und zog derselbe mit Schanden wieder ab von Livland und kam auf das große und weite Meer und fuhr ohne Schiffslenker und ward verschlagen vom widrigen Winde. Solchergestalt von Livland aus getrieben, kehrte selbiger Ritter heim nach Dänemark und entsagte fortan im Lande der seligen Jungfrau der königlichen Vogtei.“ **)

Von nun an nahmen die Verhältnisse wieder eine erfreulichere Wendung. Litauern und Russen, die wochenlang in Livland gelagert und bei dem inneren Zwist nur geringen Widerstand gefunden hatten, wurde reichlich vergolten, was sie verübt. „Zum Teil wohl in Folge der entschiedenen Haltung der Bevölkerung waren gleichzeitig mit der äußeren Bedrängnis auch die inneren Wirren überwunden. Der Orden hatte seine unnatürliche Stellung zum Deutschtum samt der unnationalen Politik aufgegeben, sich dem übrigen Livland wieder angeschlossen.“

*) Hildebrand, I. c. p. 118. 121.
**) Heinrichs von Lettland Livl. Chronik. p. 290.

König Waldemar fügte sich, als er im Sommer 1222 zur Eroberung Oesels herbeigekommen war, der Macht der Tatsachen. Nicht nur Livland, auch Fellin und Dorpat gab er frei, in welchen Gebieten der Orden die weltlichen, der Bischof die geistlichen Rechte erhielt.

Des Königs Heimkehr wurde das Zeichen zu einem furchtbaren Befreiungskampf der Esten. Auf Oesel hatte das eben erst von den Dänen erbaute Schloss dem Sturm der Eingeborenen nicht widerstanden; die Siegeskunde machte den Esten Mut, das fremde Joch zu brechen und den Christennamen zu vertilgen. Sie töteten Dänen und Deutsche und riefen jetzt selbst die Russen herbei, die Reval vergeblich belagerten, sich aber in Dorpat und Odenpä festsetzten. Da wurden die Dänen, wie selbst der Orden nur durch die Hilfe der Rigischen gerettet; denn die Liven und Letten verharrten in treuster Anhänglichkeit bei den Deutschen, an denen sie wahrhaft Beschützer gefunden. Durch vereinte Kraft war der Aufstand im Frühjahr 1224 gestillt. Die Burg Dorpat allein widerstand. In sie hatten sich die ärgsten Aufwiegler geflüchtet. Im September war mit ihrem Fall das Land befriedet.

Zugleich erfolgte eine endliche Klärung der inneren Verhältnisse. Alberts Bruder, Bischof Hermann, war endlich von Waldemar, der von einem kleinen deutschen Grafen aus Privatfeindschaft drittehalb Jahre in Haft gehalten wurde, anerkannt und erhielt durch Abtretung von Seiten des Ordens Ugaunien als Bistum; doch umfasste sein geistlicher Sprengel auch Fellin. Die Wiek wurde zum rigaschen Bistum geschlagen. Den Dänen verblieb außer dem nie angefochtenen Besitz Harriens einstweilen auch Jerven und Wirland.

Die gewordenen Zustände zur Anerkennung der höchsten Autoritäten der Christenheit zu bringen, kam dann im folgenden Jahre auf Bitten Alberts der päpstliche Legat Wilhelm von Modena nach Livland, während Bischof Hermann am Hoflager des deutschen Königs Heinrich die Erhebung der geistlichen Territorien mit Einschluss des Ordenslandes zur Markgrafschaft erwirkte.

So war nach den Kämpfen eines Vierteljahrhunderts die Zugehörigkeit des Hauptteils unserer Lande zum deutschen Reichskörper in feierlicher Weise anerkannt; die Grundlagen waren hergestellt, auf denen ein geordnetes staatliches Leben sich erbauen konnte. Aber jeder Abschluss birgt die Keime neuer Entwicklung. Das Blut, das jene tatendurstige deutschen, die Livländer geworden, auf Estlands Boden vergossen hatten, war Anlass und Bürgschaft, dass das Machtgebiet deutscher Kultur nicht nach dem Willen eines nordischen Herrschers, sondern nur durch die Grenzen, die die Natur gesetzt, beschränkt werde.

Hansewappen

Hansewappen

Hanse Kogge

Hanse Kogge

Kaiser Otto I. und Gemahlin

Kaiser Otto I. und Gemahlin

Lübeck Das Holstentor

Lübeck Das Holstentor

Rostock Stadtansicht

Rostock Stadtansicht

Stettin, das Alte Schloss

Stettin, das Alte Schloss

Wismar, Stadtansicht

Wismar, Stadtansicht

Hamburg, Blick auf die Unterelbe

Hamburg, Blick auf die Unterelbe

Bremen - Einfamilienhäuser in der Olbersstraße

Bremen - Einfamilienhäuser in der Olbersstraße

Danzig - Frauengasse

Danzig - Frauengasse

Die Plünderung Wisbys

Die Plünderung Wisbys

Flucht an Bord einer Kogge

Flucht an Bord einer Kogge

Wirtshausszene in der Hansezeit

Wirtshausszene in der Hansezeit

Hamburg - Deichstraßenfleet

Hamburg - Deichstraßenfleet