Aus Mecklenburg - Der Parforce-Jagd-Verein 1845

Aus: Die Grenzboten
Autor: Kuranda, Ignatz (1811-1884) tschechisch-österreichischer Schriftsteller und Parlamentarier, Erscheinungsjahr: 1845
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mecklenburg, Parforce-Jagd-Verein, Adel, Ritterlichkeit, Hasenjagd, Fuchsjagd, Gesellschaftskritik, Pressefreiheit
Aus: Die Grenzboten. Zeitschrift für Politik und Literatur, redigiert von Ignatz Kuranda. Vierter Jahrgang. II. Semester. IV. Band. 1845.

Es ist doch eine schöne Sache um ein gutes Beispiel. Da fiel es zu derselben Zeit, als gerade in Schlesien die Hungersnot unter den armen Webern am größten war, einem auserwählten Teile des dortigen Adels ein, den vielbekannten und benannten „Reit- und Jagdverein“ zu gründen. Man wollte, so lautete die rhetorisch abgefasste Ankündigung, durch derlei ritterliche Vergnügungen und Übungen dem Adel, diesem Kern des Staates, seine frühere Wehrhaftigkeit und Ritterlichkeit und dadurch wieder sein, ein wenig verloren gegangenes Ansehen aufs Neue erringen. Der Gedanke war in der Tat nicht übel und machte den Köpfen der Erfinder alle Ehre. Kann der Adel auch wohl etwas Klügeres tun, um das alte Ansehen, nach dem er so sehr trachtet, wieder zu gewinnen, als einige teuer erkaufte englische Pferde tot jagen, einige arme Hasen oder Füchse durch stundenlanges Hetzen martern und dabei Saaten und Felder ruinieren? Müssen ihm solche Taten nicht notgedrungen die Verehrung des ganzen Volkes wieder gewinnen, und sind sie nicht die besten Grundsteine zur Gründung des „christlich-patriarchalischen Staates“, den so viele seiner Mitglieder einzuführen wünschen?
Wie sehr ist es im Interesse des allgemeinen Nutzens zu beklagen, dass die Verbreitung solcher „Jagd- und Reitvereine“ bisher noch leider immer so schwach gewesen ist. Welchen herzerhebenden Anblick muss es nicht für alle anderen Staatsbürger gewähren, einen Zug rotberockter Junker, die wehrhaft gerüstet zur Verfolgung eines Hasen ausziehen, unter dem Klange der Waldhörner und dem Gebelle der zahlreichen Meute, durch die Straßen und über die Felder ziehen zu sehen. Und gar wenn Damen daran Teil nehmen, wenn sie eine Ehre darin suchen, mit dem schnellsten Reiter zu wetteifern, trotz dem besten Piqueur die Meute in Ordnung zu halten, und recht nahe ihr sich vor dem Anblicke scheuendes Ross bei dem Fange heranzutreiben, damit ihnen ja kein Zucken und Stöhnen des Tieres, das noch lebendig von den Hunden zerrissen wird, entgehe. Dank sei es den humanen Gesinnungen solcher Zierden ihres Geschlechtes, wir haben häufig Gelegenheit dies Schauspiel zu beobachten, und unseren anderen Frauen, deren Gemüt noch zu verweichlicht ist, als dass sie an solchen Beschäftigungen Behagen finden könnten, mit hochherzigem Beispiele voranzuleuchten.

Dies Alles fühlte der edle Verein des schlesischen Adels besser als wir es hier auszudrücken vermögen, und beschloss, in Erwägung dessen und derohalben, nach langen Beratungen, bei denen des purpurnen und goldenen Weines viel ritterlich getrunken, und tiefdurchdachte Reden, darinnen Weisheit und blumiger Ausdruck wetteiferten, gehalten worden, den obgenannten Jagd- und Reitverein zu Wartemberg zu gründen. Die Adelszeitung, dieses Blatt der Blätter, pries solches Unternehmen in ausführlichen Spalten und freute sich, dem schon lange darauf begierigen Publikum doch einmal etwas vom Adel, wodurch er sich wahrhaft vor den übrigen gebildeten Ständen auszeichne und den Vorrang, der ihm von Unverständigen bisweilen noch streitig gemacht wird, verdiene, melden zu können. Von diesem edlen „Jagd- und Reitvereine“ meinte sie, würde die Wiedergeburt der etwas in Verfall geratenen Ritterlichkeit wieder ausgehen, und eine neue Ära des Adels würde durch ihn erblühen. Dringend forderte sie alle Edelen der deutschen Gauen zur Unterstützung und Nacheiferung auf, und verhieß mit ängstlicher Gewissenhaftigkeit einen getreuen Bericht aller solcher Jagden und ein genaues Verzeichnis der auf denselben todgehetzten Hasen und todgejagten Pferde. Eine glorreiche Erinnerung der Taten ihrer Voreltern sollte dadurch späteren Generationen werden, damit diesen doch nicht unbekannt bliebe, warum zu jenen Zeiten von ihren Ahnen ein absonderliches Vorrecht vor den übrigen Ständen beansprucht, ja was noch mehr, selben auch hin und wieder zugestanden worden.

Allein sei es nun, dass der größte Teil des deutschen Adels glaubte, seine Zeit besser anwenden zu können — oder dass ihm das Geld, dieser Hauptnerv alles Lebens unserer Tage, dazu mangelte — die Sache fand leider nirgends so rechten Anklang. Der hohe Adel verschmähte es zwar nicht, unbeschadet seiner sonstigen Stellung und Würde, bei den Jagdfesten, die ein Croupier in Baden-Baden auf öffentlicher Promenade zur Indignation aller übrigen nicht so hochgebildeten Leute veranstaltete, als Piqueur zu agieren; allein eigene adelige Jagd- und Reitvereine wurden außer Schlesien nirgends ins Leben gerufen.

Nur der Adel Mecklenburgs, dieser würdige Repräsentant alles altadeligen Treibens, wurde ob solcher Idee seiner lieben Brüder in Schlesien begeistert, und beschloss eine Nachahmung. Dieselben Koryphäen desselbigen, die vor mehren Jahren eine Subskription zur Unterstützung der heiligen Sache des Don Carlos in Spanien eröffnet hatten, und von denen in letzter Landtagsversammlung Einer die seiner und seiner Genossen würdigen Worte sprach:

„Er sei stolz, dass seine Vorfahren einst das Faustrecht ausgeübt hätten,“

traten auch hier wieder an die Spitze. Man ist es in Mecklenburg schon so gewohnt, diese Herren immer voran zu sehen, wo es ein die Wohlfahrt des ganzen Landes bezweckendes Unternehmen gilt, dass man sich hierüber auch nicht im Geringsten wunderte. Die vollkommene, freilich bisweilen etwas ins Lächerliche ausartende Nachahmung der Pferderennen nach englischer Weise, das Gesetz wonach auf den fliehenden Wilddieb nach zweimaligem Anrufe geschossen werden darf, das vollkommen ausgebildete Patrimonial-Gerichtswesen und noch mehre derartige Einrichtungen verdankt das Land dieser Phalanx seiner altadeligen Gutsbesitzer. Freilich, als im vorigen Jahre Mitglieder der Ritterschaft des bürgerlichen Standes auf dem Landtage die Proposition stellten, dass die öffentliche Spielbank in Doberan, der mancher Staatsbürger schon seinen völligen Ruin verdankt, aufgehoben werden solle, dass die ganze Ritterschaft auf das Privilegium der Zollfreiheit, wodurch sie auf Kosten des übrigen Volkes so sehr bevorzugt würde, verzichten müsse, dass man den Anschluss des Landes an den Zollverein vorbereiten wolle, da opponierte dieser alte Adel auf das Heftigste dagegen und wusste durch allerlei Machinationen auch glücklich dies Alles zu hintertreiben.

Es bildete sich also im vorigen Jahre durch zahlreiche Unterschriften ein „Parforce-Verein“, dessen Mitglieder natürlich alle dem ersten Adel des Landes angehörten. Der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin wurde zum Protektor dieses ruhmvollen, so sehr der Zeit angemessenen Bundes erkieset, schlug aber leider diese hohe Würde ganz entschieden ab. Man ließ sich hierdurch nicht in seinen Absichten stören, sondern kaufte eine teure Meute abgerichteter Hunde in England, und verpflichtete sich, die Jagd auf seinen und der angehörigen Bauern Feldern zu gestatten. Zur Freude des Landes nahmen im vorigen Herbst, diese Jagden ihren Anfang. Eine edle Gräfin, bekannt durch mehre rühmliche Taten, worunter z. B. die eigentümliche und charakteristische Belustigung gehört, die Dorfkinder unter dem Altane des Schlosses zu versammeln, um denselben Eier auf die Köpfe zu werfen und sich daran zu vergnügen, wie der gelbe Inhalt derselben über die Gesichter der Getroffenen herunterfließt, ward zur Diana auserkohren. Große Jagdfeste wurden ganze Wochen durch auf den verschiedenen, in der Nähe liegenden Gütern der Teilnehmer gehalten, und zahllose Flaschen dabei ausgestochen. Am Morgen nach eingenommenem guten Frühstücke, bei denen natürlich der Portwein und der Madeira die Herzen entzünden, und wobei auch die Mehrzahl der Damen es nicht verschmähet, ein starkes „Wenig“ an dem Feuertranke zu nippen, versammelt sich die Gesellschaft, um die Jagd zu beginnen. Die Herren alle in roten Phantasie-Fracks, engen weißen Hosen, Stulpstiefeln und schwarzen Samtkappen; die Damen, welche als Amazonen mit reiten wollen, in langen wallenden Reitkleidern von derselben Farbe, und eben solcher Kopfbedeckung wie die Männer. Mit Peitschengeknall und Hundegebell zieht die Gesellschaft durch die schlechten Wege des aus elenden Lehmhütten bestehenden Dorfes auf das freie Feld. Ein armer Hase ist von den Spürhunden aus dem bergenden Kartoffelfelde aufgetrieben und sucht mit schnellen Läufen ein rettendes Gehölz. Laut kläffend folgt die Schar der Hunde seiner Fährte, die Jäger, Damen wie Herren, spornen oder peitschen ihre Renner zu rascherer Gangart und bemühen sich, bei den Hunden zu bleiben. Durch Dick und Dünn, über bebaute wie unbebaute Felder geht nun die Jagd. Immer weiß der Hase durch Wendungen und plötzliche Veränderungen seines Laufes seinen Verfolgern zu entfliehen. Einzelne Reiter bleiben aus Schonung ihrer edlen Rosse, oder weil sie etwa vorkommende gefährliche Passagen scheuen, schon zurück, die Mehrzahl aber, und unter dieser namentlich die mitreitenden Damen, schont weder Sporn noch Peitsche, um ja den Fang aus rechter Nähe mit ansehen zu können. Endlich, oft nach stundenlangem Jagen, haben die Hunde das aus Ermattung niedergestürzte Tier erreicht, dem die Todesangst schreiende Töne entlockt. Unter ihren wütenden Bissen und Zerren findet er sein qualvolles Ende. Begierig weiden sich die im Kreise rings versammelten Jäger an diesem edlen Schauspiele. So wird die Jagd noch einige Male wiederholt, bis endlich die völlige Erschöpfung der Pferde, die mit vom Sporn zerrissenen Flanken, über und über mit Schaum bedeckt und keuchend die Luft einatmend, einen traurigen Anblick gewähren, und oft an einem einzigen Morgen um einiger Hasen willen für immer ruiniert sind, Einhalt gebietet. Die Beute am Sattel befestigt, zieht die Jagdgesellschaft wieder ins Schloss zurück, ungemein befriedigt von dem so gut angewandten Morgen. Ein großes Diner, wozu tüchtiger Hunger mitgebracht und die mecklenburgische Virtuosität im Essen und Trinken sich im glänzenden Lichte zeigt, beginnt. Die Unterhaltung dreht sich dabei um die Begebenheiten der heutigen Jagd, die breit und umständlich von jedem einzelnen Teilnehmer auseinandergesetzt und beurteilt werden. Interessante Nachrichten über Hunde und Pferde bringen angenehme Abwechselung dazwischen. Da man aus manchen mecklenburgischen Gütern nie, oder doch nur in seltenen Ausnahmefällen, über andere Gegenstände sprechen wird, so findet dies Gespräch allgemeine Teilnahme. Damen wie Herren werden ordentlich begeistert, wenn sie auf die Taten der Wettrenner des Grafen H. oder des Barons M. kommen, und erstere hören mit großer Unbefangenheit, die von ihrer sonstigen gezierten Prüderie ganz seltsam absticht, die genaueren Details der Pferdezüchtung und Paarung mit an, und wissen auch ganz naiv die einzelnen bei der Paarung gebräuchlichen technischen Ausdrücke zu erzählen. Doch der Wein, der in ungeheuren Quantitäten vertilgt ist, beginnt seine Wirkung zu äußern, man wird aufgeregter und geht von den Pferden zur—Politik über. Hilf Himmel! die Politik in dem Kreise des mecklenburgischen „Parforce-Vereines“. Donnernde Reden gegen die neue Zeit, welche es wage, an den alten Rechten des Adels zu rütteln, werden gehalten und der ganze altadelige Zorn auf dieselbe herabbeschworen. Am schlimmsten kommen die liberalen Schriftsteller fort,

„welche an all dem Unheil Schuld wären und dem dummen Volk nur allerlei Unsinn in den Kopf setzten.“

Ein Herr meint, die Regierung müsse alle Zeitungen, mit Ausnahme der von ihr selbst ausgehenden und der etwaigen Jagd- und Adelsblätter, ganz verbieten. Ein anderer vornehmer mecklenburgischer Graf äußert den lebhaften Wunsch,

„einmal alle diese verdammten Demagogen in seiner Gewalt zu haben, damit er sie mit seinen Jagdhunden einsperren und gleich diesen mit der Peitsche an Zucht und Ordnung gewöhnen könne,“

was ein zustimmendes Gelächter der Übrigen zur Folge hat. Nach den liberalen Schriftstellern kommt die Partei der bürgerlichen Gutsbesitzer, welche gleiche landständische Rechte mit den Adeligen verlangen, an die Reihe und erhält eine reiche Menge nicht ehrenvoller Beinamen. Ein großes Trink- und Spielgelage, wobei ansehnlich im Hazardspiel gewagt wird, macht das würdige Ende des würdig begonnenen Tages.

Es bedarf im Grunde keiner Erwähnung, dass nur ein Teil des mecklenburgischen Adels auf solche Weise seinen Stand prostituiert. Unter der Mehrzahl gibt es eine Menge gebildeter, vernünftiger und die Anforderungen der Zeit wohl erkennender Männer, die namentlich mit allen Kräften für Emporhebung der Landwirtschaft, welche in Mecklenburg zum Wohle des ganzen Landes eine so hohe Stufe erreicht hat, streben. Mit gerechter Indignation sehen diese das rohe und unverständige Treiben ihrer Standesgenossen an, die leider vermöge ihres Reichtums und ihrer sonstigen Stellung eines gewissen Einflusses nicht entbehren.

The Meet.

The Meet.

Breaking Cover.

Breaking Cover.

Full Cry.

Full Cry.

Crossing the Line.

Crossing the Line.

The Death.

The Death.