21 Jahre in Indien. Erster Teil: Borneo

Aus dem Tagebuch eines Militärarztes.
Autor: Dr. Heinrich Breitenstein (1848-1930) deutscher Arzt, Zoologe, Geograph und Schriftsteller, Erscheinungsjahr: 1899

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Indien, Borneo, Reise-Beschreibung, Ärzte, Hygiene, Tropen, Krankheiten, Europäer, Einheimische, Sumatra,
      E. Ch. Barchewitz rechtfertigt in der Vorrede seiner „Ost-Indianischen Reise-Beschreibung“ (Erfurt, 1751) die Herausgabe seines Buches mit folgenden Worten:
. . . „Ich könnte aber viele Ursachen anführen, welche mich hierzu bewogen, wenn ich die engen Grenzen meiner kurzen Vorrede überschreiten wollte; gleichwohl habe ich die vornehmste nicht verschweigen sollen. Die erste ist, dass wir unterscheiden vornehme und gute Freunde, denen ich dann und wann in Konversation von meiner Reise Eines und das Andere erzählet, mir angelegen, das, was ich erfahren, nicht vor mich allein zu behalten, sondern dem Publico zu communiciren ...“
Inhaltsverzeichnis
  1. 1. Kapitel.
    Rassen auf Borneo: Olo-Ott, Dajaker usw. — Reise von Surabaya nach Bandjermasing — Insel Madura und Bawean — Dussonfluss — Mosquitos — Ödipussage auf Borneo — Danaus-Seen — Antassan — Roter Hund (eine Hautkrankheit).
    1. Erste Fortsetzung
    2. Zweite Fortsetzung
  2. 2. Kapitel. Pesanggrâhan = Passantenhaus — Ausflug nach der Affeninsel — Aberglaube der Eingeborenen — Reise nach Teweh — Ein chinesisches Schiff im Innern Borneos — Trinkwasser in Indien — Eis — Mineralwässer
  3. 3. Kapitel. Amethysten-Verein — Alkohol — Gandruwo. eine Spukgeschichte — Polypragmasie der jungen Ärzte — Verpflegung in einem Fort — Unselbständigkeit der Militärärzte — Malayische Sprache — Vergiftung mit Chloralhydrat und Arsenik — Krankenwärter und Sträflinge — Amoklaufen — Erste Praxis unter den Dajakern — Schwanzmenschen
  4. 4. Kapitel. Fischschuppen-Krankheit — Tigerschlange — Schlangenbeschwörer — Gibbon — Kentering — Beri-Beri — Simulanten beim Militär — Mohammedanisches Neujahr — Tochter von Mangkosari — Kopfjagd — Pfeilgift — Genesungsfest — Gesundes Essen — Früchte — Indische Haustoilette — Wütende Haushälterin — Dysenterie — Gewissenlose Beamte — Missionare
  5. 5. Kapitel. Fort Buntok — Orang-Utang — Operationen — Prostitué bei den Affen — Darwinisten — Indische Häuser — Möbelfabrikanten — Französische Mode — Gefährliche Obstbäume — Einrichtung der Häuser — Dajakische Häuser — Götzenbilder — Tuwak oder Palmwein — Witwenstand der Dajaker — Opfern der Sklaven — Todtenfest
  6. 6. Kapitel. Ameisen und Termiten in den Wohnungen — Verderben der Speisevorräte — Milch-Ernährung der Säuglinge — Aborte Tjebok — Transpiration in den Tropen — Baden — Siram = Schiffsbad — Antimilitärischer Geist der Holländer — Das Ausmorden der Bemannung des Kriegsschiffes „Onrust“, von den Dajakern erzählt
  7. 7. Kapitel. Akklimatisation — Sport in Indien — Sonnenstich — Prophylaxe gegen Sonnenstich — Alcoholica — Bier — Schwarzer Hund — Mortalität beim Militär im Gebirge und in der Ebene — Klima — Statistik — Erröten der Eingeborenen — Geringschätzung der „Indischen“ — Fluor albus, Menstruation — Gesundheitslappen — Erziehung der Mädchen — Indische Venus — Indischer Don Juan
  8. 8. Kapitel. Urbewohner von Borneo — Eisengewinnung bei den Dajakern — Eisenbahn auf Borneo — Landbaukolonien — Jagd in Borneo — Im Urwalde verirrt — Wilde Büffel — Medizin auf Borneo — Aetiologie bei den Dajakern — Taufe bei den Dajakern — Dukun — Doctor djawa
  9. 9. Kapitel. Kriegsspiele der Dajaker — Angriff auf einen Dampfer — Hebammen — Frauen-Doktor — Europäische Ärzte — Gerichtsärzte — Stadtärzte — Zivilärzte — Furunculosis — Ärztliche Kommissionen — Vaccinateurs
  10. 10. Kapitel. Geographie von Borneo — Reise des dänischen Gelehrten Dr. Bock — Besteigung des Berges Kinibalu — Die Syphilis in Indien — Beschneidung
  11. 11. Kapitel. Das „Liebesleben“ bei den Waldmenschen, Dajakern, Malayen und Europäern — Aphrodisiaca
  12. 12. Kapitel. Abreise von Borneo — Tod meiner zwei Hausfreunde durch Leberabszesse — Bandjermasing nach 100 Jahren
  13. Anhang. Geschichte des Süd-Ostens von Borneo
      Auch mir erging es so. Wenn ich einen Vortrag hielt über dieses oder Jenes Thema, wie z. B. im Jahre 1885 über Borneo oder im Jahre 1898 über die Hygiene in den Tropen; wenn ich in einem kleinen Kreis in groben Zügen eine oder die andere den Tropen eigene Krankheitsform beschrieb, oder wenn ich diesen oder Jenen Teil des täglichen Lebens im Lande des ewigen Sommers meinen Freunden entrollte, immer wurde ich dazu gedrängt, in irgendeiner Weise meine Erlebnisse einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Wenn ich also dieser Aufforderung Folge leiste, so beabsichtige ich kein großes gelehrtes Buch zu schreiben oder wie Barchewitz in seiner Vorrede sagt:
      „An dem in diesen Bogen gebrauchten Stylo muss sich der geliebte Leser keineswegs ärgern, dass er nicht hochtrabend, sondern in einem ganz einfältigen und gemeinen deutschen Kleide aufziehet. Denn, gleichwie es einem Bürger oder Landmanne übel würde ausgelegt werden, wenn er in einem güldenen Stück einher getreten kommen würde; so würde es auch mir fast billig verarget werden, wenn ich wider mein Naturell und Lebensart in Beschreibung der Geschichten meines Lebens, den galanten Schlesiern oder Sachsen ihre Wohlredenheit abborgen und in selbige meine Historie verstecken wolle.“
      Ich will nur erzählen, was ich gesehen und was ich erlebt habe als Arzt und als Mensch, und ich will, wo es sein muss, flüchtig den Kothurn der Wissenschaft besteigen; denn ich schreibe für Ärzte und für Laien. 1) Europa sprengt seine Fesseln und breitet seine Arme nach dem fernen Westen und Osten der Welt aus. Zahlreiche Ärzte gehen nach dem Kongo, zu den Tabakpflanzern auf Sumatra u. s. w., um dort ihr Glück zu suchen. Sie finden dort andere Menschen, andere Sitten und Gebräuche, ein anderes Klima, eine ganz andere Volksnahrung, sie finden Manches, von dem sie früher nichts gehört und nichts gelesen haben. Als ich vor 22 Jahren an der Westküste Sumatras in Padang zum ersten Male indischen Boden betrat, bot mir ein Hausierer eine Ananas zum Kauf an. Ich nahm sie auf das Schiff mit, ein Schiffsgenosse ließ sie für mich schälen, während er mir ihren Saftreichtum und ihr Aroma in überschwänglichen Worten pries, und schon wollte ich einen Bissen zum Munde führen, als ein alter Kollege, der von seiner Urlaubsreise zurückgekehrt war, mir warnend zurief: „Des Morgens (= Vormittagsstunden) darf man keine Ananas essen, sonst bekommt man die Cholera.“ Kurze Zeit darnach saß ich mit einem Obristlieutenant in der Veranda seines Hauses; wir philosophierten, wie er es nannte, und er behauptete, was ich späterhin noch vielfach zu hören bekam, dass Gott jedem Lande seine Krankheiten, aber auch die Arzneien für diese Krankheiten gegeben habe, und dass daher für die Behandlung der „indischen Krankheiten der europäische Arzt nicht die geeignete Person sei, sondern jene Damen, welche in der Behandlung der „indischen“ Krankheiten (Dysenterie, Aphthae tropicae u. s. w.) großartige Erfolge hätten, weil sie sich nur der Arzneien des Landes bedienten, und dass selbst der Sanitätschef sich bei ihnen Rat hole u. s. w. Wie rat- und hilflos stand ich gegenüber diesen — Phrasen! Nun Dieses und Solches mehr werde ich in diesem Buche mitteilen, ich werde erzählen, wie ich solche Fragen damals beantwortete, oder wie ich sie heute beantworten würde; ich werde damit kein Lehrbuch schreiben für den Arzt, der zum ersten Male das Land der Tropen betritt, sondern ihn nur aufmerksam machen auf die neuen Verhältnisse, denen er entgegentritt, und ihm auf diese Weise die Gelegenheit geben, zu manchen Fragen Stellung zu nehmen und über manche Fragen nachzudenken, welche ihm aus Unkenntniss der Verhältnisse, um mich eines banalen Ausdrucks zu bedienen, nicht einmal im Traum einfallen.

      1) Aber nicht für junge Mädchen, welchen die Ethnographie nur in Fragmenten gelehrt werden darf.
Der Laie wird mit mir eine Reise in das Land machen, welches sich „wie ein Gürtel aus Smaragd um den Gleicher schlingt“ (Multatuli); ich werde ihn in die Hütte des Kopfjägers begleiten, welcher im Herzen Borneos in großen Hütten aus Bambus sein leichtsinniges Leben führt; ich werde ihm das Leben und Lieben der Javanischen Frau in kurzer Skizze zeichnen; ich werde ihm die Feste der Palembanger (Sumatra) beschreiben u. s. w,; dann werde ich ihn in das Familienleben der europäischen und halbeuropäischen Bewohner dieser Inseln blicken lassen, und ich werde ihm ein ärztlicher Führer sein, wenn er als Tourist die Tiger des südlichen Java oder die Orang-Utans Borneos fangen oder erlegen will, oder wenn er die „Tausend Tempel“ Javas zu bewundern beabsichtigt, oder für die Produkte der heimatlichen Industrie im fernen Osten ein Absatzgebiet aufsuchen will.
      Schon manches Werk wurde in diesem Genre geschrieben, aber nicht, soweit mir wenigstens bekannt ist, in deutscher Sprache. In Holland erschien jedoch vor 16 Jahren ein solches Buch unter dem Namen „De geneesheer (Arzt) in Nederlandsche Indië“ von Dr. C. L. van der Burg, welches mir so manche vergnügte Stunde bereitet, und aus welchem ich Vieles gelernt habe, obzwar ich damals schon 6 Jahre in den Tropen gelebt hatte. Dieses ist ein systematisch geschriebenes Buch, welches scharf abgegrenzte Teile der Tropenhygiene und der Ethnographie behandelt.
      Ich habe mir ein weiteres Ziel gesetzt und auch eine andere Form dafür gewählt.
      In 3 Teilen 1), genannt nach den 3 Inseln Borneo, Java und Sumatra, auf welchen ich viele Jahre gelebt habe, werden meine Erlebnisse und meine Beobachtungen, wie sie in meinen alten Reisebriefen auf einander folgen, mitgeteilt werden, nachdem die Schlacke der ersten oberflächlichen Eindrücke durch die Kritik der Beobachtung vieler Jahre beseitigt werden konnte.
      Wenn diese 3 Bücher auch nach dem fernen „heiligen Java“ und Borneo den Weg finden, dann rufe ich ihnen wehmütig die Worte des römischen Dichters nach:

      Heu mihi quod domino
      non licet ire tuo.

      Karlsbad, im April 1899. Dr. H. Breitenstein.

      1) Der 2. Teil (Java) und der 3. Teil (Sumatra) werden voraussichtlich binnen Jahresfrist erscheinen können. Der Verleger.

Fig. 1 ist (in doppelter Größe) entnommen dem großen Atlas von Stemfoort und ten Siethoff. Titelbild und Fig. 6 wurden nach Photographien des Verfassers reproduziert.
Figg. 2 — 5 wurden nach den Skizzen und Mitteilungen des Verfassers gezeichnet.
Fig. 8 ist die verkleinerte Reproduktion der Skizze, welche im Militärblatt von Holländisch-Indien in N. 59 vom Jahre 1888 erschien.
Legenda: D = dajakisch. J = javanisch. M = malayisch. S = sudanesisch (im Westen Javas).

21 Jahre in Indien Band 1

21 Jahre in Indien Band 1

Titelbild: Ein Waringinbaum.

Titelbild: Ein Waringinbaum.

Fig. 1: Grundriss von Bandjermasing

Fig. 1: Grundriss von Bandjermasing

Fig. 2: Eine Bekompeyerin

Fig. 2: Eine Bekompeyerin

Fig. 3: Das Fort Teweh bis zum Jahre 1880

Fig. 3: Das Fort Teweh bis zum Jahre 1880

Fig. 4: Mein erster Hausfreund

Fig. 4: Mein erster Hausfreund

Fig. 5: Erste Begegnung mit der Tochter des Fürsten Mangkosari

Fig. 5: Erste Begegnung mit der Tochter des Fürsten Mangkosari

Fig. 6: Mein zweiter Hausfreund

Fig. 6: Mein zweiter Hausfreund

Fig. 7: Der Schweinsaffe (Cercopithecus nemestrinus)

Fig. 7: Der Schweinsaffe (Cercopithecus nemestrinus)

Fig. 8: Skizze von Borneo

Fig. 8: Skizze von Borneo